Im Juni 2021 wurde in Glinde eine 85-jährige Fußgängerin beim Überqueren eines Fußgängerüberweges von einem Lkw überrollt. Die Fußgängerampel zeigte zu diesem Zeitpunkt Grün. Zudem herrschte stockender Verkehr, weshalb sich der Lkw auf dem Fußgängerüberweg befand. Bei dem Unfall verlor die Fußgängerin ihr linkes Bein. Die Haftpflichtversicherung zahlte der Fußgängerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro. Das war der Fußgängerin zu wenig, weshalb sie den Lkw-Fahrer, den Halter des Lkw und die Haftpflichtversicherung auf Zahlung von 80.000 Euro Schmerzensgeld verklagte.
Bei stockendem Verkehr nicht auf Zebrastreifen fahren
Wie das Portal für kostenfreie Urteile meldet, warf das Landgericht Lübeck dem Beklagten einen Verstoß gegen § 26 Abs. 2 StVO vor. Danach dürfen Fahrzeuge bei stockendem Verkehr nicht auf den Fußgängerüberweg fahren, wenn sie dort warten müssen. Dabei komme es nicht darauf an, ob das Fahrzeug bei Grünlicht noch in die Kreuzung einfahren könne. Der Beklagte hätte sich zudem vor dem Anfahren vergewissern müssen, dass er niemanden gefährdet. Notfalls hätte er aussteigen oder sich von anderen die Weiterfahrt erklären lassen müssen. Ein Fahrzeugführer müsse damit rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer die Straße überqueren, erst recht im Bereich einer Fußgängerampel, nachdem sein Fahrzeug wegen stockenden Verkehrs angehalten habe. Der Beklagte habe auch keinen Vorrang als Kreuzungsräumer genossen.
Kein Mitverschulden der Fußgängerin
Nach Ansicht des Landgerichts ist der Klägerin auch kein Mitverschulden anzulasten. Zwar hätte sie sich vor Betreten der Fußgängerfurt vergewissern müssen, dass der Beklagte warten würde. Hier liege jedoch ein weit überwiegendes Verschulden des Beklagten vor, hinter dem das Mitverschulden der Klägerin zurücktrete.
Zusätzliches Schmerzensgeld von 60.000 Euro
Das Landgericht sprach der Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 60.000 Euro zu. Dabei berücksichtigte das Gericht, dass die Klägerin schwer verletzt wurde und in Lebensgefahr schwebte. Zudem müsse sie aufgrund der Amputation dauerhaft mit Einschränkungen leben, was aufgrund ihres Alters mit großen Anpassungsschwierigkeiten verbunden sei. Besonders schwer wiege, dass die Klägerin vor dem Unfall selbständig in einer 3-Zimmer-Wohnung gelebt habe und nun auf einen Rollstuhl und ein Pflegeheim angewiesen sei. Damit sei ihr ein erhebliches Stück Lebensqualität genommen worden.
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