ADAC-Mobilitätsindex: Kein Vorankommen im Bereich nachhaltiger Verkehr
Der Automobilclub veröffentlicht seinen zweiten Mobilitätsindex: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität komme Deutschland nicht vom Fleck, so das harte Urteil. Zwar habe sich die Situation in den Jahren 2020 und 2021 deutlich verbessert und damit auch der ADAC Mobilitätsindex. Dies sei jedoch auf die vorübergehend geringere Verkehrsnachfrage durch die Corona-Pandemie zurückzuführen.
"Strukturelle Verbesserungen, die von bleibender Wirkung über die Pandemie hinaus sind, wurden kaum erreicht", so die Analyse.
Den fundiert ausgearbeiteten Index hat der ADAC gemeinsam mit dem Analyse- und Beratungsunternehmen Prognos entwickelt. Damit wächst der Handlungsdruck auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, das Tempo auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität zu erhöhen. Das erste Pandemiejahr ließ den Index sprunghaft auf 115 Punkte ansteigen, doch schon im Jahr danach kündigte sich eine Trendwende an, als der Index wieder auf 113 sank. Bei der erstmaligen Veröffentlichung des Mobilitätsindex für das Jahr 2019 lag der Indexwert – wie schon im Basisjahr 2015 – bei 100.
Der Index soll Entwicklungen im Bereich der Mobilität wissenschaftlich bewerten. Dazu werden verschiedene Indikatoren erfasst und transparent gemacht. So sollen wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Aspekte berücksichtigt werden. Der Mobilitätsindex bildet dies durch fünf Bewertungsdimensionen ab: Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit.
Klima und Umwelt: Nur eine kurze CO2-Senke
Den höchsten Index-Wert wies die Bewertungsdimension "Klima und Umwelt“ aus. Da während Corona die Belastungen durch Luftschadstoffe geringer waren, stieg der Index auf 119. Doch schon 2021 zeichnete sich ein Wiederanstieg von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen ab. Aufgrund der niedrigeren Verkehrsleistung und des daraus resultierenden geringeren Unfallgeschehens verbesserte sich der Indexwert für die „Verkehrssicherheit“ auf 118. Doch auch hier ist mit der Erholung des Straßenverkehrs eine Verschlechterung absehbar.
Der Index für die „Zuverlässigkeit“ stieg deutlich auf 113 und zeigt, wie sehr die geringere Verkehrsleistung während der Corona-Jahre auch die Zahl der Staus reduziert hat. Die im vergangenen Jahr erkennbaren Verkehrsspitzen lassen erwarten, dass auch diese positive Entwicklung nicht von Dauer sein wird. Die gekappten Angebote im Luft- und Fernbusverkehr führten schließlich zu einem leichten Rückgang des Indexwertes auf 102 bei der „Verfügbarkeit“.
Energiekosten treiben Mobilitätskosten
Inwieweit es den Menschen finanziell möglich ist, ihre Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen, wird bei der Bewertungsdimension „Bezahlbarkeit“ gemessen. Hier sorgten die deutlich gestiegenen Energiekosten 2021 für eine spürbare Verteuerung der Mobilität. Es deutet sich an, dass sich die Energiepreise und damit die Kosten der Mobilität künftig auf einem vergleichsweise hohen Niveau einpendeln. Aus Sicht des ADAC muss nachhaltige Mobilität die negativen Auswirkungen des Verkehrs verringern.
"Das positive Ergebnis des Mobilitätsindex während Corona war nur ein Scheinerfolg. Erzwungener Mobilitätsverzicht wie in den beiden Corona-Jahren hat keinen Bestand und ist keine realistische Option, um die Nachhaltigkeit der Mobilität dauerhaft zu verbessern", urteilt ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand.
Das Bedürfnis der Menschen nach Mobilität sei weiterhin groß. Auch wenn Einzelne zu freiwilligem Verzicht bereit sind, so sei es unrealistisch, dass die gesamte Gesellschaft darauf setzen wird. Es sei davon auszugehen, dass die Indexwerte für das Jahr 2022 fast wieder auf dem Niveau des Jahres 2019 liegen werden.
"Das zeigt, dass wir in puncto Nachhaltigkeit auf der Stelle treten und neue Impulse brauchen. Hier sind die Politik, die Wirtschaft und auch jeder Einzelne gefordert, zu Verbesserungen beizutragen. Der Bericht zum ADAC Mobilitätsindex zeigt hierzu Handlungsfelder in allen Bewertungsdimensionen auf", appellierte Hillebrand.
Seit der Pandemie nehme die Mobilität wieder zu – und die Nachhaltigkeit des Verkehrssystems sinke, moniert Hillebrand weiter. Für eine Trendwende seien mehr Elektromobilität, erneuerbare Energien, besserer öffentlicher Verkehr mit einem Sozialticket für Betroffene sowie sichere Radwege notwendig.
"Auch jeder und jede Einzelne kann zu einer nachhaltigen Mobilität beitragen: kurze Wege zu Fuß oder per Rad zurücklegen, Fahrgemeinschaften bilden, das Auto sparsamer fahren, auf Elektro umsteigen, häufiger mit der Bahn reisen, das Deutschlandticket abonnieren. Nicht alles passt für alle. Doch wenn jeder und jede Jahr für Jahr sieben Prozent weniger CO₂ für Mobilität benötigt, schaffen wir das Klimaziel 2030 im Verkehr", fordert der ADAC-Präsident.
Handlungsempfehlungen
Die nominelle Verbesserung der Nachhaltigkeit in den Jahren 2020 und 2021 war laut Index ein Strohfeuer. Die erzwungene Einschränkung der Mobilität führte nicht zu einer strukturellen Verbesserung der Nachhaltigkeit. Als erfolgsversprechend für mehr Nachhaltigkeit sieht der ADAC folgende Handlungsschwerpunkte und -empfehlungen:
- Einschränkungen und Verzicht seien der falsche Weg, um Mobilität nachhaltiger zu machen.
- Nachhaltige Mobilität müsse die negativen Auswirkungen des Verkehrs verringern.
- Die Treibhausgasemissionen je Personenkilometer sollten reduziert werden.
- Der Zugang zu nachhaltiger Mobilität müsse unabhängig vom Einkommen gegeben sein.
- Nachhaltige Mobilität soll zur attraktiveren Option gemacht werden, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu überzeugen.
- Der öffentliche Verkehr müsse Nutzerinnen und Nutzer zurückgewinnen und attraktiv für Neukundinnen und -kunden werden.
- Fortschritte bei Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt dürfen nicht zu Lasten der Verfügbarkeit, der Zuverlässigkeit und der Bezahlbarkeit gehen.
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