Volvo haucht dem Compound-Turbo neues Leben ein

Robert Domina

Unter dem Label "I-Save" ergänzt Volvo sein Motorenprogramm mit zwei Turbo-Compound-Sechszylindern aus der 12,8-Liter großen D13-Reihe. Vier Prozent sparsamer sollen die 460- und 500-PS-Versionen sein, die das Kürzel "TC" für Turbo-Compound tragen. Weitere drei Prozent sparen eine neue Brennraum-Form im Kolben, neue Software und optimierte Antriebsachsen ein. Ebenfalls neu: Die individuell einstellbare, elektrisch unterstützte Lenkung Dynamic Steering.

 
Der E-Servo-Motor der Dynamic Steering ist nun fein regelbar und ermöglicht eine individuelle Lenkeinstellung. Foto: rod
Der E-Servo-Motor der Dynamic Steering ist nun fein regelbar und ermöglicht eine individuelle Lenkeinstellung. Foto: rod
« Bild zurück
Bild
9 / 10
Bild vor »

Wenn die ehrgeizigen Spritsparziele von Minus 30 Prozent bis 2030 erreicht werden sollen, sind neue Ideen und Ansätze nötig. Das wissen auch die Göteborger Truckbauer von Volvo. Software-Optimierung kann viel aber nicht alles. Und so packen die Schweden auch den herkömmlichen Diesel-Motor an. Böse Zungen könnten dabei die Wiederauferstehung des Turbo-Compound-Prinzips mit dem Begriff "ausgraben" umschreiben. Denn auch andere Hersteller haben sich in der Vergangenheit an jener zweiten Abgas-Turbine versucht, die direkt die Kurbelwelle antreibt. Mehr oder weniger mit dem Ergebnis, dass zwar eine tolle Performance entstand, gleichzeitig aber auch immer der Dieselverbrauch anstieg.

Volvo verfolgt hier einen anderen Ansatz: Matz Franzèn, Volvos oberster Motoren-Entwickler versteht den Turbo-Compound als Wirkungsgrad-Optimierer und nicht als Tuning-Maßnahme für mehr Nennleistung. Ein neuer Ansatz, der lediglich im unteren und mittleren Drehzahlbereich ein Plus von 300 Nm erzeugt. In Leistung umgerechnet, entstehen so im Bereich zwischen 900 und 1.200 Umdrehungen zwischen 28 und 38 kW (38 - 52 PS) Mehrleistung, als dort, wo man überwiegend fährt. Das ist Gratisleitung, die komplett aus einer höheren thermischen Effizienz der Maschine resultiert und nicht über mehr Dieseleinspritzung finanziert wird. Dass der neue D13TC sowohl in der 460 PS- wie in der derzeit meist verkauften 500-PS-Variante tatsächlich vier Prozent Diesel spart, darf man den Volvo-Entwicklern also durchaus glauben. Wir werden diese Aussagen im Herbst mit den ersten Tests in Transport natürlich untersuchen. Nebeneffekt des Turbo-Compounds ist eine zusätzliche, gekühlte Abgasrückführung, die den AdBlue-Verbrauch von rund 8,5 auf 5,5 Prozent senken soll. Das Ganze ist nicht gerade federleicht: Die Compound-Turbine, der Abgas-Rückführ-Kühler und das Räderwerk zwischen Turbine und Kurbelwelle addieren sich auf ein Mehrgewicht von genau 101 Kilo. Was die Turbo-Compund-Ausstattung kosten soll, ließ Volvo bei der ersten Präsentation in Göteborg noch im Dunkeln, die "einzelnen Märkte" sollen für die Preisfindung zuständig sein.

Die ersten Testfahrten bestätigen den zukünftigen Ideal-Einsatz des Turbo-Compounds à la Volvo: Am effektivsten arbeitet die Turbine bei hoher Last und in einem relativ schmalen Drehzahlbereich, so wie er in einem typischen Fernverkehrs-Einsatz die Regel ist. Dabei bleiben die Motoren wie gewohnt leise und zeigen sich da, wo es drauf ankommt als durchzugsstark und zäh am Berg. Kombiert mit langen Achsen und teilweise  mit Doppelkupplungs-Overdrive-Getrieben, muss zwar auch ein Turbo-Compound am Berg schalten und schon mal den zehnten Gang bemühen, in der Ebene schnurrt der D13TC aber mit nur 1.000 Umdrehungen vor sich hin - und das offenbar super-ökonomisch.

Die ersten Testfahrten boten auch Gelegenheit, die neue, elektronisch geregelte Dynamic Steering zu "erfahren". Die elektrisch unterstützte Lenkung lässt sich nun über mehrere Menüs in einem weiten Bereich einstellen, etwa "leicht", "direkt" und "stabil" oder sogar fahrerspezifisch in einem persönlichen Einstell-Menü: Ähnlich einem Equalizer lassen sich so Geradeausfahrt, Kurvenfahrt, Rückstellkräfte und Dämpfung sehr individuell einstellen. Das erfordert einiges an Übung und Ausprobieren, die Änderungen sind auf jeden Fall spürbar und helfen, die optimale Lenk-Charakteristik zu finden.