„Intelligent wäre es, das, was wir haben, besser zu verwalten“

Trotz politischer Probleme in weit größerer Dimension – die Diskussion um den Brenner bleibt aktuell. Ein Interview mit Karl Michael Fischer, Geschäftsführer Logistik Kompetenz Zentrum (LKZ) Prien, über mögliche Lösungsansätze.

Karl Michael Fischer fordert einen Fünfjahresplan mit klaren Zielvorgaben ähnlich einem Produktionsplan und mit entsprechendem Controlling. Bild: LKZ Prien
Karl Michael Fischer fordert einen Fünfjahresplan mit klaren Zielvorgaben ähnlich einem Produktionsplan und mit entsprechendem Controlling. Bild: LKZ Prien
Anna Barbara Brüggmann
Interview

Transport: Herr Fischer, woran hakt es Ihrer Meinung nach derzeit am meisten bei der Brenner-Thematik?

Karl Michael Fischer: Das eine ist das Thema Blockabfertigung. Die Fahrer müssen diesen Zirkus jede Woche mitmachen – ich sehe es jeden Tag auf der Inntalautobahn und bei Rosenheim. Solche Differenzen sollten im 21. Jahrhundert nur am Verhandlungstisch gelöst werden und nicht auf dem Rücken der Umwelt, der Fahrer und der Bevölkerung ausgetragen werden dürfen. Es sind auch viele Ortschaften betroffen. Wir haben in Bayern und Deutschland leider kaum mehr Verhandlungspotenzial. Man beruft sich auf Umweltschutz und Abgase. Auch mit dem Europäischen Gerichtshof den anderen Joker zu ziehen, hat bisher nicht funktioniert. Trotz der EU-Osterweiterung hat sich der Verkehr innerhalb von 20 Jahren verdoppelt. Wir haben heute im bayerischen Inntal 22 Prozent auf der Schiene – das ist in der Literatur nicht abgebildet.

Was wäre denn ein möglicher Lösungsansatz?

Mein Vorschlag wäre, Investitionssicherheit für das Gewerbe zu schaffen und das Ganze wie in der Schweiz zu subventionieren. Denn mit drei Verkehrsträgern ist es teurer. Der Diesel liegt derzeit bei rund zwei Euro. Die Frage ist: Wie entwickeln sich die Strompreise? Doch wenn man sich ausrechnet, wie viel CO2 und Energie die Bahn spart, ist die Bahn schon die bereits realisierte Form der Elektromobilität, man müsste es nur tun.

Was sind weitere aktuelle Problemfelder?

Thema ist auch der Fahrermangel – und übers Wochenende nach Italien zu fahren, das ist nicht mehr so wie früher. Ich habe auch Erfahrung in diesem Bereich, ich habe das selbst 20 Jahre lang gemacht mit eigenem Unternehmen. Eine Lösung wäre der Kombinierte Verkehr – das habe ich schon vor 20 Jahren gemacht: Der Fahrer fährt tagsüber und nachts fährt die Bahn.

Das „Terminal der Zukunft“ wäre eine Möglichkeit. Jeden Trailer könnte man innerhalb von drei Minuten von der Straße auf die Schiene umschlagen. Auf einen 550 Meter langen Güterzug könnten 29 Lkw-Auflieger auf einmal verladen werden. Ein einziger Lokführer könnte so 29 Fahrer ersetzen – und man tut noch etwas für die Umwelt.

Also eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene?

Ich würde mich auf das konzentrieren, was schon vorhanden ist. Denn nach Karl Valentin: Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Um Blockabfertigungen zu vermeiden, müsste man die Zugabfertigung nach Verona steigern. Man sollte sich auf die Verlagerung der schon jetzt über den Brenner fahrenden circa 2,4 Millionen Lkw konzentrieren.

Statt langfristig auf den Ausbau des Brennerbasistunnels zu warten, also jetzt etwas tun?

Das steht nicht im Widerspruch zum Ausbau des Brennerbasistunnels, sondern dient sogar als Vorbereitung. Aktuell sind zehn Prozent der Trassen frei. Sinnvoll wäre ein Fünfjahresplan mit klaren Zielvorgaben ähnlich einem Produktionsplan, um das mittelständische Gewerbe langsam dort hinzuführen, auch mit entsprechendem Controlling. Konkret soll der Modalsplit innerhalb von fünf Jahren im bayerischen Inntal von derzeit 22 auf 32 Prozent Schienenanteil gesteigert werden.

Wir haben am 24./25. Mai ein großes Symposium am LKZ Prien, bei dem aktuelle Fragestellungen aus Mobilität, Logistik und Güterverkehr diskutiert werden. Im Brennpunkt des Symposiums Logistik Innovativ 2022 stehen digitale und nachhaltige Lieferketten, innovative Lösungen zu mehr Verkehr auf die Schiene, Anforderungen an einen klimafreundlichen Güterverkehr sowie Lösungen für den urbanen Wirtschaftsverkehr und für eine klimaneutrale Mobilität.

Welche Problemfelder ergeben sich aus dem Russland-Ukraine-Krieg?

Problematisch ist, wie die Versorgungskette sichergestellt werden kann, was gerade noch ein bisschen aktueller ist als noch vor ein paar Wochen. Aufgrund der Ukraine-Krise haben wir momentan massive Probleme in der Versorgungssicherheit. Ich hatte selbst ein Unternehmen. Bei dieser Dieselpreisentwicklung können viele Unternehmer nicht mehr schlafen. Das geht im Moment auf Kosten des Gewerbes. Wir können bald keine Lebensmittel mehr transportieren, weil wir keine Leute mehr haben. Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen und brauchen eine Strategie, um das in den Griff zu bekommen.

Zurück zum Brenner: Wie sehen Sie den Vorschlag einer Mauterhöhung, wie sie Ministerpräsident Söder bei einem Treffen mit dem österreichischen Kanzler Nehammer nochmals vorschlug?

Das ist ein einzelnes Instrument, ein Schnellschuss. Das ist nicht strategisch. Man braucht ein Gesamtpaket und eine unternehmerische Planung. Die Frage ist auch, ob Bayern dafür zuständig ist. Bayern kann kein Mautsystem beschließen.

Was sagen Sie zu Landeshauptmann Kompatschers Vorschlag zur digitalisierten Umweltmaut mit Slotbuchung?

Die deutsche Maut ist ja bereits entsprechend der Euro-Klassen eingepreist. Sicher ist das ein sinnvoller Vorschlag – aber wir haben keine freien Slots. Wo will man da etwas hin verlagern? Intelligent wäre es, das, was wir haben, besser zu verwalten. Das läuft einfach noch schlecht. Wenn man betrachtet, wie lange Lkw vor den Umschlaganlagen stehen und sie sechs oder acht Stunden nicht fahren gelassen oder behindert werden – so macht man die Infrastruktur kaputt. Und die Leistung, die man erbringen möchte, der Transport, wird nicht durchgeführt.

Kompatschers Vorschlag eines trilateralen Gipfels – halten Sie es denn für realistisch, dass es bald zu einer Einigung kommen wird?

Es ist nicht realistisch, solange wir nicht einmal einen Plan haben. Das Problem: Jetzt mit der neuen Regierung fangen wir wieder von vorne an. Es fehlt die politische Kontinuität bei diesem Thema, die in diesem Bereich sehr wichtig wäre. Der Ober-Österreichische Landeshauptmann war 24 Jahre lang im Dienst, er wusste, was vor zwölf Jahren bereits gemacht wurde, dass es falsch war und man es immer schon falsch gemacht hat. Leider haben wir im Moment die gewisse politische Kontinuität nicht. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und schauen, was wir daraus machen.

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Was sind momentane Schwerpunkte des LKZ?

Wir haben beispielsweise mit der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V ein Projekt zum Thema „Klimafreundlicher Brennertransit: Anforderungen der verladenden Wirtschaft an den Güterverkehr“. Das Projekt „Future trailer for road and rail“ eruiert, wie ein Trailer gebaut sein muss, dass er auf den Zug fahren und flexibel auf Straße sowie Schiene eingesetzt werden kann und wie der Waggon gebaut sein muss.

Mit der Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr e.V. und dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML ermittelt das LKZ zudem im Rahmen einer Studie die umwelt- und verkehrspolitischen Folgen einer europaweiten verpflichtenden KV-Fähigkeit von Standard-Sattelaufliegern in Deutschland.

Generell ist unser Blick wie der beim Bau einer Fabrik: Erst den Markt ansehen, dann eine Prognose erstellen und genau festlegen, was dazu benötigt wird. Das kann Herr Söder aus seiner Position heraus nicht machen. Das LKZ hat da einen anderen Hintergrund, wir sind neutral. Wir können das Thema genau da adressieren, wo es wehtut, das ist beim Brenner-Thema sehr wichtig.

Was fordern Sie konkret von der Politik?

Ich fordere ganz konkret den Fünf-Jahres-zehn-Prozent-Plan, also konkrete Zielvorgaben und ein entsprechendes Qualitätsmanagement. Vor 23 Jahren war mein Spruch schon „nach Verona in sechs Stunden“. Das Problem ist: Der Zug fährt sechs Stunden, also real zwischen sieben und 19 Stunden, dann steht der ganze Zug zum Beispiel zwölf Stunden irgendwo in der Umschlagshalle, wo kein Platz ist. Das kostet Geld. Man muss mit den Fixkosten runterkommen, dann wird der Zug gegenüber dem Straßenverkehr konkurrenzfähig sein.

Es wird ein Delta bleiben – weil wir statt einem Verkehrsträger drei Verkehrsträger haben. Dieses Delta muss die Politik als Subvention draufzahlen – so, wie es in der Schweiz selbstverständlich ist. Das muss uns die Umwelt wert sein. Wenn ein paar Hunderttausend Lkw am Inntaldreieck stehen, ist das ja auch Geld, Verschwendung – volkswirtschaftlicher und umwelttechnischer Blödsinn.

Man hat lärmarme und schadstoffarme Lkw entwickelt. Wir müssen Transporte umweltfreundlich organisieren. Wir haben ja eine ganze Werkzeugbox, um in meiner Sprache zu bleiben, man muss sie nur nutzen. Es ist beim LKZ auch unser Ansatz, das Gesamte zu betrachten. Im Austausch mit den Arbeitsgruppen merken wir, dass plötzlich möglich ist, was vorher undenkbar war – und dass wir alle in einem Boot sitzen. Aufgabe der Politik ist es, diese politischen Rahmenbedingungen zu setzen, zusätzlich braucht man Innovation und kreative Köpfe – und auf einmal funktioniert es.

Also das ist das Geheimrezept sozusagen?

So hat es schon oft funktioniert, aber man braucht eben Kontinuität in der Politik…

Das Interview führte Anna Barbara Brüggmann am 9. März 2022.

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