Logwin erweitert Flotte: 2. Elektro-Vario von Mercedes Benz für Wien-Lieferungen: Diesel raus, Elektro rein

Dass sich der Vario auch mit E-Antrieb zum Lasttier eignet, zeigt ein Feldtest bei Logwin im Großraum Wien. Dort ist jetzt der zweite Prototyp angekommen, der dem Serienfahrzeug schon deutlich näher kommt.

Entscheidend für den Betrieb des E-Lkw: die richtige Ladetechnik im Hof. Bild: Logwin
Entscheidend für den Betrieb des E-Lkw: die richtige Ladetechnik im Hof. Bild: Logwin
Christine Harttmann
Pilottest

Seit vergangenem September betreibt Logwin an seinem Standort in Traiskirchen bei Wien einen auf Elektro-Antrieb umgerüsteten Mercedes Benz Vario. Der Logistikdienstleister beliefert damit Kunden in der Österreichischen Landeshauptstadt. Nun hat Niederlassungsleiter Franz Bräuer ein zweites Fahrzeug entgegengenommen, das sich nun – so erwartet er – ebenfalls in der Praxis bewähren soll.

Immerhin hatte Bräuer nur wenige Wochen nach der Übernahme seines ersten Fahrzeugs eine positive Bilanz gezogen. Auch wenn der Stromer bei seiner Anschaffung teurer sei, spare er im täglichen Betrieb – zumindest, wenn er intelligent eingesetzt werde, äußerte Bräuer im November auf dem Wiehler Forum, zu dem BPW die Branche alle zwei Jahre an seinen Hauptsitz in Wiehl einlädt.

Der Fahrzeugzulieferer aus dem Bergischen Land war es auch, der für die Umrüstung des Vario die elektrische Antriebsachse mit Energie-Rückgewinnung und aktiver Lenkunterstützung lieferte. Hersteller BPW vertreibt seine Innovation, deren zwei achsnahe 50 kW-Motoren eine Kraft von immerhin 136 PS aufbringen, unter dem Namen eTransport. Der 7,5-Tonner von Logwin kommt damit auf eine Maximalgeschwindigkeit von 90 Stundenkilometern.

Das Upcycling des Vario übernahm Paul Nutzfahrzeuge in Passau. Für den Logistikdienstleister Logwin war es der erste Elektro-Lkw überhaupt im Fuhrpark, den er seither einem intensiven Feldtest unterzieht. Angesichts der positiven Erfahrungen in den Anfangsmonaten hat der Stromer jetzt seinen baugleichen Partner erhalten. Am 16. Juli kam das Fahrzeug in Taiskirchen an. Jetzt müssen beide Lkw ihre Praxis-tauglichkeit und vor allem auch Wirtschaftlichkeit unter Beweis stellen. Denn als Franz Bräuer den Feldtest startete, stand nicht die „reine Öko-Frage“ im Vordergrund. Eher ging es ihm darum zu eruieren, wie Logwin seinen Fuhrpark verändern kann, damit dieser wirtschaftlicher, attraktiver und natürlich auch ökologischer wird. Bräuer betont:

Ökonomie mit Ökologie

„Wir sind ein wirtschaftlich getriebenes Unternehmen, das immer auch den Umweltaspekt im Fokus hat.“ Demzufolge sollen die Feldtests zeigen, wie gut sich die ökonomischen und ökologischen Aspekte miteinander vereinbaren lassen. Denn zu glauben, dass ein E-Fahrzeug 1:1 einen Verbrenner ersetzen kann, sei ein Irrglaube. Die neue Technologie habe Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen – angefangen bei der Ladeinfrastruktur, über die Streckenplanung bis hin zur Fahrerschulung, Wartung und Abrechnung.

Logischerweise ist damit die Dimension des Projekts etwas größer. Eine wesentliche Frage, die Bräuer für sich beantwortet haben möchte, lautet: Ergibt es für uns Sinn, wenn ich unseren Fuhrpark umstelle? Daher sei für ihn von Anfang klar gewesen, dass er das Elektro-Fahrzeug parallel zum Diesel-Pendant einsetzt – schon alleine wegen der besseren Vergleichbarkeit. Denn am Ende müsse sich der E-Lkw ebenso rechnen.

Dass zu Beginn in der Anschaffung das Elektrofahrzeug etwas teurer ist, steht dabei außer Frage. Also muss es andere Argumente dafür geben. Eines davon ist, dass Logwin den e-Vario weitgehend autark mit eigenem Strom versorgen kann. Er stammt aus den Photovoltaikanlagen, die in Traiskirchen, und inzwischen auch in Wien, auf dem Dach der Depots installiert sind. Sie laden die Akkus der Lkw auf und ersetzen so die Diesel Tankstelle. So gut wie nie habe der Fahrer bisher eine externe Ladesäule genutzt, berichtet Bräuer.

„Eigentlich haben wir eine Industriemaschine geschaffen, die wir als Betreiber selber laden können und deren Betriebsstoff selbst erzeugt wird“, formuliert der Niederlassungsleiter. Auf diesem Fakt basiert auch die positive Kalkulation für das E-Fahrzeug. Er ist sich sicher, dass es – wenn alles eingerechnet ist – zumindest einen Gleichstand der Kosten gibt zwischen dem Elektrofahrzeug und einem klassischen Verbrenner. Dabei berechnet er noch nicht einmal die aktuellen Fördermöglichkeiten für E-Fahrzeuge mit ein.

Aber auch im Lieferalltag muss sich zeigen, welche Technik sich in der Praxis bewährt. Die Verantwortlichkeiten im Projekt seien dabei immer klar verteilt, betont Bräuer: „So wie sich die Firma BPW auf die elektrische Antriebstechnologie konzentriert, so haben wir uns von Anfang an auf den gesamten Transportprozess und alle daran Beteiligten fokussiert .“

Neben der Ladetechnik und der Schulung der Fahrer gehört dazu unter anderem die Fahrstrecke. Wie schon der erste umgerüstete Vario, so soll auch der Neue auf seinen Lieferfahrten erstmal die Wiener Innenstadt ansteuern. Adressaten sind zumeist bekannte Sport- und Fashionhändler. Daneben lieferte Logwin in dem umgerüsteten 7,5-Tonner schon immer auch Pharmazieprodukte aus. Speziell in der Pandemie-Zeit und während des Lockdowns habe der Lkw mit BPW-Elektroachse dann erneut seine Vielseitigkeit unter Beweis gestellt, beschreibt der Niederlassungsleiter. Weil Sportgeschäfte, Kaufhäuser und Einzelhändler geschlossen waren, transportierte Logwin kurzerhand Pharmaprodukte wie Masken oder Schutzkleidung. Auch das funktionierte problemlos – vorausgesetzt die Touren sind richtig geplant.

Die Disposition ist dabei nicht ganz banal. Immerhin ist der Lkw in Traiskirchen stationiert, jedoch täglich in Wien unterwegs. „Bei der Tourenplanung müssen wir unsere spezielle geografische Situation beachten“, berichtet Bräuer. „Unser Standort liegt außerhalb von Wien.“ Von einer „kleinen Anreise“ spricht er – immerhin 30 Kilometer pro Strecke sind es. Da die Wege innerhalb Wiens aber recht kurz seien, sind auch die Fahrten von und zum Depot mit der aktuellen Reichweite des E-Varios reibungslos durchführbar.

Zwei Touren täglich

Logwin betreibt den E-Vario in zwei Schichten. In den frühen Morgenstunden startet die erste Tour, die gegen Mittag wieder ins Depot einrückt. Dort wird das Fahrzeug dann – während seiner neuerlichen Beladung – für zwei Stunden an die Ladestation gehängt und zieht Strom für eine zweite Ausfahrt. Wenn es dann von seiner Runde am Nachmittag zurückkommt, hat es die ganze Nacht Zeit zum Aufladen und steht in der Früh mit vollem Akku fahrbereit auf dem Hof.

Die zwei Ausliefertouren, darauf legt Bräuer Wert, sind keine Frage mangelnder Reichweite. Im Gegenteil: Da der Laderaum des Lkw auf beiden Touren voll ausgelastet sei, freut man sich sehr darüber, dass die Batteriekapazität des Fahrzeugs mit kurzer Zwischenladung ausreichend ist, um beide Strecken emissionsfrei durchzuführen. Das Feedback der Kunden auf die umweltfreundliche Belieferung ist nämlich durchweg positiv.

Weiteren großen Einfluss auf die Effizienz eines Lkw hat, neben der Fahrstrecke, das Personal. Auch da hat sich Bräuer im Vorfeld viele Gedanken gemacht. Es muss mit dem Elektro-Lkw gut zurechtkommen und sollte außerdem die Zeit des „Auftankens“ am Mittag im Depot sinnvoll nutzen können. Also rekrutierte Bräuer Mitarbeiter aus dem Lager als Fahrer. Für die sei der Umstieg in den Lkw eine Motivation, so Bräuer. Außerdem seien sie durch die Stapler, die heute überwiegend mit Strom fahren, den Umgang mit Elektroantrieben gewohnt. Und – last but not least – springen sie im Lager ein, solange der E-Lkw am Stromkabel hängt.

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Insgesamt legt der E-Vario auf seinen Runden gute 90 bis 100 Kilometer jeden Tag zurück. Pro Woche summiert sich das auf etwa 400 bis knapp 550 Kilometer. Logwin würde damit in den meisten Fällen auch ohne Zwischenladung am Mittag die theoretische Reichweite – sie liegt abhängig von den Fahrbedingungen zwischen 100 und 120 Kilometer – nicht überschreiten. Allerdings sei das „Nachtanken“ von Strom wichtig für die Psychologie des Fahrers, erläutert Josha Kneiber, der bei BPW für E-Mobilität und Marktstrategie verantwortlich ist. Der Prototyp, der bisher in Wien im Einsatz ist, habe noch keine Anzeige über die verbleibende Reichweite, beschreibt er. Beim Nachfolgemodell hat BPW dieses Feature integriert. Dem Fahrer soll das eine gewisse Sicherheit geben.

Bräuer betont in diesem Zusammenhang, dass die beiden upgecycelten Vario noch in der Prototypen-Phase sind. Technologieanbieter BPW, Logwin als Nutzer und auch der Markt müssten den Elektro-Lkw unter Realbedingungen testen, um Erkenntnisse für die Weiterentwicklung zu gewinnen. Es dürfe demzufolge nicht verwundern, dass sich der jetzt übergebene, zweite Vario teilweise deutlich von seinem Vorgängermodell unterschiedet – ausgereifter sozusagen, ein wenig erwachsener geworden.

Eine wichtige Änderung ist die Ladetechnik. Während der Erste den Strom nur per AC-Anschluss tanken kann, verfügt der Zweite zusätzlich noch über einen Stecker zur DC-Ladung. Die will Bräuer ausnutzen. „Weil die perfekt bei uns reinpasst“, wie er sagt. Denn die schnellere Ladung verkürzt die Stehzeiten. Es spreche also nichts gegen eine weitere Zwischenladung, wodurch dann eine dritte Tour mit dem Lkw möglich wäre.

Großer Schritt nach vorne

Viel passiert ist außerdem bei der Software des Fahrzeugs, die ein größeres Update erhalten hat. Der Fahrer erkennt den Unterschied unter anderem am Display und vor allem an der verbauten Telematik von BPW Tochtergesellschaft idem telematics. Sie gibt Auskunft über die Routenplanung inkl. Ortungsdaten, Berechnung der Ankunftszeit, Workflow-Mitteilungen an die Disposition sowie Nachweis von Be- und Entladezeiten und -dauer. Momentan sei in dem umgerüsteten Lkw hochfrequente Messtechnik verbaut, so Kneiber, „deren Daten wir dem Kunden derzeit aber noch nicht in Echtzeit zur Verfügung stellen können.“ Im jetzt ausgelieferten Modell hat BPW das korrigiert und dem Fahrzeug sehr viel anwenderfreundliche Technik spendiert. Von der soll der Disponent profitieren. Er bekommt künftig wöchentliche Berichte über Energieverbräuche, durchschnittliche Fahrzeit und durchschnittliche Geschwindigkeit – Daten also, die für ihn wichtig sind, wenn er den Einsatz seines E-Fahrzeugs optimieren möchte. Zugleich sieht er aber auch die Livedaten des aktuellen Ladezustandes, der bereits gefahrenen Route und der Restreichweite. Sobald das Fahrzeug an der Ladesäule steht, erhält der Disponent zudem Informationen über die Restladezeit.

Optimiert hat BPW darüber hinaus die Heizung und andere Nebenaggregate, die Energie verbrauchen. Neue Sicherheitsfeatures sollen das Fahrzeug zudem aus dem Prototypenstatus im Sinne des TÜVs herausbringen. Geplant ist ein Mustergutachten.

„Wir haben versucht, das Fahrzeug noch näher an ein Serienfahrzeug heranzubringen, das dann fünf bis sechs Jahre im Einsatz sein kann“, erläutert Kneiber. Ein allzu großes Problem sollte das nicht sein, wenn man den Niederlassungsleiter von Logwin in Traiskirchen hört. Ohne „Backup-System“, also ohne ein Ersatzfahrzeug im Hintergrund, sei der Vario jetzt seit acht Monaten im Einsatz. Nur einmal hat es das Fahrzeug in dieser Zeit nicht bis ins Depot zurückgeschafft – für einen ersten Prototypten schon eine sehr reife Leistung. ha

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