Daimler Trucks: Zurückhaltung bei LNG-Fernverkehrs-Lkw - CNG-Motor für Medium Duty und Econic als Müllfahrzeug: „Die Reichweiten beim CNG sind begrenzt“

Daimler-Trucks-Chef Stefan Buchner setzt lieber auf Elektro- als auf Gasantrieb, auf weiten Distanzen liebäugelt er mit der Brennstoffzelle. Im eCanter sieht er ein Erfolgsmodell. Nun will Daimler den eActros weiter protegieren.

"Sprechen wir über Fernverkehr, ist die Brennstoffzellen-Technologie langfristig eine Lösung."Stefan Buchner, Leiter Mercedes-Benz Trucks Bild: T. Schweikl
"Sprechen wir über Fernverkehr, ist die Brennstoffzellen-Technologie langfristig eine Lösung."Stefan Buchner, Leiter Mercedes-Benz Trucks Bild: T. Schweikl
Robert Domina
Interview

Herr Buchner, Daimler Trucks macht den Hype um LNG, also verflüssigtes Methan für Fernverkehrs-Lkw nicht mit. Warum diese Zurückhaltung?

Stefan Buchner: Da müssen wir unterscheiden zwischen CNG und LNG. Wir haben ja auf der IAA für Medium Duty oder schweren Verteilerverkehr den Actros mit CNG-Motor vorgestellt. Auch den Econic gibt es speziell als Müllfahrzeug schon lange in einer CNG-Version. Die Reichweiten bei CNG sind eher begrenzt. Wollen wir mehr Reichweite, brauchen wir die LNG-Technik und hier stellt sich einfach die Frage nach der Infrastruktur. Derzeit beschäftigen wir uns mit allen Arten von Antrieben, auch LNG.

Welche Zeithorizonte sehen sie für schwere E-Lkw? Und müssten die eigentlich nicht schleunigst von Brennstoffzellen-Lkw abgelöst werden?

Beim schweren Verteilerverkehr mit 200 bis 300 Kilometern Reichweite, haben wir mit unserem eActros eine passende und marktführende Anwendung. Sprechen wir über Fernverkehr, ist die Brennstoffzellen-Technologie langfristig sicher eine Lösung, weil für die Langstrecke eine vernünftige Balance zwischen Batteriegewicht und verbleibender Nutzlast gegeben ist. Es bleibt aber vor allem abzuwarten, wie sich dann die Wasserstoff-Infrastruktur entwickeln wird – das ist die Vorrausetzung.

Warum setzen sie im Light-Duty-Segment derzeit rein auf den Elektro-Canter, der ja hierzulande kaum reüssieren konnte? Entwickelt man die 7,5- und 12-Tonner Ategos nicht mehr auf alternative Kraftstoffe und Antriebe weiter?

Der E-Canter ist weltweit und vor allem in Asien sehr erfolgreich…

… auf dem hiesigen Markt aber weniger…

… Einspruch, der eCanter ist auch in Europa sehr erfolgreich. Für das leichte Segment setzen wir den eCanter ein, für das schwere Verteilersegment haben wir den eActros. Alle Baureihen gleichzeitig zu elektrifizieren macht wenig Sinn, sondern wir beginnen dort, wo es für unsere Kunden und deren Anwendungen am schnellsten wirtschaftlich darstellbar ist.

Stichwort Aufgabe des Platooning-Projektes: Welche Erkenntnisse führten zur Aufgabe?

Ausschlaggebend war die fehlende CO2- bzw. Kraftstoff-Ersparnis. Die erhofften Einsparungen haben sich bei unseren Tests leider nicht ergeben – auch nicht auf den dafür theoretisch geeigneten US Highways. Wenn wir dort keine wirtschaftlichen Vorteile für unsere Kunden erzielen, dann erst recht nicht auf den kürzeren und verstopften Strecken in Europa. Wir konzentrieren uns daher künftig aufs automatisierte Fahren. Los geht es gerade mit dem neuen Actros, der teilautomatisiert unterwegs sein kann.

Das Thema Vecto-Tool, also das rein theoretische Berechnen von Verbrauchswerten, beschäftigt die Branche sehr. Zumal wichtige Einspar-Potenziale wie Fahrstil, GPS-Tempomat und andere Assistenzsysteme noch keine Berücksichtigung finden. Müssen Sie da nicht stärker auf den Gesetzgeber einwirken?

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Das bedauern wir in der Tat sehr, dass solche Technologien und Anwendungen bis heute nicht in die Regularien aufgenommen sind. Gleichwohl sind wir aber davon überzeugt, dass diese Faktoren noch Niederschlag finden werden. Daran arbeiten wir.

Der Start der neuen Actros-Baureihe verzögert sich nun mittlerweile um rund zwei Monate. War die Einführung von Mirror Cams und Touchscreen-Armaturen etwas voreilig? Wo liegen die Probleme?

Keineswegs haben wir unsere Technologien zu früh vorgestellt, wir haben auch keine Probleme mit der Produktreife des Fahrzeugs. Allerdings erleben wir, dass die Nachfrage nach dem neuen Actros stetig steigt – worüber ich mich sehr freue, was aber auch Herausforderungen im Hochlauf und Verfügbarkeit des neuen Fahrzeugs mit sich bringt. Deshalb habe ich mich ganz bewusst entschieden, den Start der neuen Fahrzeugreihe um acht Wochen zu verschieben. Spätestens Anfang Juni werden wir die Fahrzeuge ausliefern.

Bei der Übergabe des eActros an Logistik Schmitt erwähnten Sie, dass dem 6x2-Solo-Actros in gut einem Jahr eine E-Sattelzugmaschine folgen soll. Diese soll dann in eine Art Vergleichstest mit dem Oberleitungs-Projekt „eWayBW“ treten. Wollen Sie damit belegen, dass Oberleitungen über Autobahn-Fahrspuren ein teurer Unsinn sind?

Lassen Sie mich kurz erklären, was dahintersteckt. Nächstes Jahr werden wir im Murgtal eine weiterentwickelte Version des eActros durch eine elektrische Sattelzugmaschine ablösen. Die Spezifikationen der eActros-Sattelzugmaschine werden mit denen der Oberleitungs-Lkw vergleichbar sein, unter anderem hinsichtlich einer höheren Tonnage und Reichweite. Die etwa ein Jahr andauernde Parallelfahrt von eActros und Oberleitungs-Lkw sollen dann die wichtigsten Daten und Erkenntnisse für den Vergleich beider Konzepte liefern, beispielsweise zur Einsatzeignung der Fahrzeuge. Das Interview führte -Redakteur Robert Domina

Foto: T. Schweikl

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Seite 7 | Rubrik UMWELT UND VERKEHR