MAN-Truck erfolgreich bei autonomen Praxisfahrten im CTA: Forschungsprojekt Anita legt Basis für voll-autonome Container-Umfuhren im Terminal: Von Geisterhand steuern

Autonomer Containerumlauf im Terminal – das plant MAN in Ulm Dornstadt mit dem Projekt Anita. Der Startschuss dafür ist am 19. Juli gefallen.

Noch müssen die Twistlocks Händisch geöfffnet werden. Künftig soll Druckluft den Vorgang automatisieren. Bild: C. Harttmann
Noch müssen die Twistlocks Händisch geöfffnet werden. Künftig soll Druckluft den Vorgang automatisieren. Bild: C. Harttmann
Christine Harttmann
Forschung

Autonome Innovation im Terminalablauf – dafür steht die Abkürzung des Forschungsprojekts Anita. Es soll die Basis für voll-autonome Container-Umfuhren im Terminal legen. Als Testgebiet haben die Projektpartner das Container-Depot von DB Intermodal Services mit dem daneben liegenden Duss-Terminal (Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße) in Ulm Dornstadt gewählt.

Der MAN-Truck, der dort am 19. Juli steht, hat seine ersten autonomen Praxisfahrten be-reits im Hamburger Hafen im Container Terminal Altenwerder (CTA) absolviert. Das dortige Forschungsprojekt Hamburg TruckPilot verfolgte dort das Ziel, Automatisierungslösungen für den Straßentransport zu entwickeln. Nun steht selbiges Fahrzeug im Containerterminal in Ulm Dornstadt, wo der Lkw-Bauer zusammen mit Deutscher Bahn, der Hochschule Fresenius und der Götting KG die wissenschaftliche Basis für vollständig autonome Container-Umfuhren in der Anlage legen wollen. Autonom soll hier nicht nur der reine Straßentransport erfolgen. Ziel ist, dass sich die Fahrzeuge selbstständig und ohne Fahrer bewegen. Auch die vielen, bisher noch analogen, Vorgänge von der Anmeldung des Lkw am Bahn-Terminal, über die Ablieferung des Containers im Depot bis zu seiner Einlagerung sollen digitalisiert und automatisiert werden.

Auf digitalem Weg

In einem ersten Schritt werden dafür die Prozesse im Terminal systematisch digitalisiert. Noch seien die Prozesse geprägt von der Interaktion zwischen Menschen, beschreibt MAN-Pressesprecher Gregor Jentsch den Pressevertretern während der Veranstaltung auf dem Terminalgelände. Das schaffe Anreize für mehr klimafreundlichen Verkehr auf der Schiene.

Voraussetzung dafür, dass die Digitalisierung gelingt sei, dass sich die Lkw mit der Terminalumgebung verständigen können. Wie das gelingen kann, soll eine Studie der Hochschule Fresenius zeigen. Darin hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Kooperation mit MAN Truck & Bus Verhaltensweisen von Menschen und Maschinen vor Ort analysiert, um sie in digitale Prozesse und Regelwerke zu überführen. So soll ein modular aufgebauter Schaltplan für autonome Transporte entstehen.

„Um autonome Lkw in der Logistik einzusetzen, ist es schon bei der Entwicklung wichtig, typische Einsatzanforderungen zu kennen und notwendige Schnittstellen frühzeitig zu berücksichtigen. Deshalb setzen wir bei unseren Projekten zum autonomen Fahren konsequent auf den konkreten Praxisbezug und die Expertise aus Logistik und Wissenschaft. Die Grundlagenarbeit der Hochschule Fresenius hat für uns daher große Bedeutung“, erklärt Andreas Zimmermann, Leiter Vorentwicklung Electronics bei MAN Truck & Bus.

Im Rahmen des Projektes Anita sollen die Logistikprozesse nun umgestaltet werden. „Entscheidende Faktoren für die Weiterentwicklung des Terminalbetriebs sind sowohl Digitalisierung als auch Automatisierung. Sie ermöglichen es, Transporte schneller, effizienter sowie planbarer abzuwickeln und die Kapazität bestehender Infrastrukturen zu steigern“, erklärt Andreas Schulz, Geschäftsführer der Duss.

Fünf Minuten pro Umfuhr wollen die Terminalbetreiber mindestens einsparen. Dafür sollen die bisher noch sehr papierenen Prozesse bei der Anmeldung digitalisiert werden. Per App soll sich das Fahrzeug anmelden können und bekommt dann ebenso digital seinen Platz für den Umschlag am Gleis zugewiesen. Der Lkw „weiß“ dann, wo er hinmuss und steuert völlig eigenständig neben den richtigen Bahnwaggon. Damit dort dann auch beim Auf- und Abladen des Containers kein Fahrer vor Ort sein muss, öffnen und schließen die Twistlocks per Druckluft – ganz ohne den legendären Vorschlaghammer für festgefressene Bolzen. Digitalisiert werden soll auch die Kontrolle des Containers bei der Ankunft im Depot – das ist jedoch eine etwas größere Herausforderung. Erst die digitale Systemsteuerung ermögliche es, den fahrerlosen Truck reibungslos in die logistischen Abläufe der Terminals zu integrieren, beschreibt Prof. Dr. Christian T. Haas, Leiter des Instituts für komplexe Systemforschung an der Hochschule Fresenius, den Hintergrund dieses Vorhabens als Voraussetzung für alle weiteren Schritte.

Auch in anderen Containerterminals der DB AG in Deutschland haben Haas und sein Team die logistischen Abläufe im Vorfeld analysiert und miteinander verglichen. Denn die digitale Plattform soll so aufgesetzt werden, dass sie auch als Grundlage für andere Standorte genutzt werden kann, an denen autonome Lkw für Transporte genutzt werden – wie etwa in Containerterminals, an Häfen oder auf Industrieanlagen. Diese Funktionen sollen über einen modularen Aufbau gewährleistet werden.

„Unser Ziel ist es hierbei, autonome Lkw in den Einsatz zu bringen und notwendige Anpassungen an der Infrastruktur möglichst gering zu halten, da diese in der Regel aufwendig sind und viel Zeit in Anspruch nehmen“, ergänzt Haas. „So lässt sich die Technologie möglichst einfach und kostengünstig in die Praxis überführen.“

Klare Regeln müssen sein

Die Herausforderungen waren und sind bei diesem Vorhaben, dass die Strukturen je nach Standort sehr heterogen sind. Es handelt sich um offene und komplexe Systeme, in die viele Akteure eingebunden sind – vom Spediteur über den Kranführer bis zum Disponenten. Zudem finden neben automatisierten Abläufen spontane menschliche Entscheidungen statt. Eine große Herausforderung. Denn anders als der Mensch könne ein automatisches System nicht improvisieren oder Regeln beugen, erläutert Haas. „Es muss für jede Situation eine eindeutige Handlungsanweisung geben.“

Ein erster wichtiger Schritt für die Entwicklung der autonomen Container-Umfuhr in der Anlage war daher, dass die Analysen der Prozesse in Ulm und bundesweit abgeschlossen sind. Nun sollen sie in eine Software zur Missionsplanung übertragen werden um in die Entwicklung des autonomen Lkw einfließen zu können, für die MAN in Zusammenarbeit mit Götting zuständig ist. Danach sollen Software und Lkw im realen Betriebsablauf in Ulm ihr Können unter Beweis stellen. Ein Sicherheitsfahrer wird dabei jedoch weiter an Bord sein.

Wenn Anita erfolgreich ist, könnten die Fahrten zwischen dem Duss-Terminal und dem Container-Depot von DB Intermodal Services die technische Basis für autonom abgewickelte Hub-to-Hub Verkehre sein. Diese fest definierten Strecken zwischen Logistikhubs seien ideal für den Einsatz autonomer Trucks, erläutert Andreas Zimmermann den zusätzlichen Projektaspekt.

Darüber hinaus analysiert die DB AG die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf weitere Terminals, um eine Roadmap zum zukünftigen Terminal 4.0 zu entwickeln. Den rechtlichen Rahmen für solche Einsätze haben erst kürzlich Bundestag und Bundesrat mit dem Gesetz zum autonomen Fahren beschlossen, das den Einsatz autonomer Fahrzeugsysteme in Deutschland in festgelegten Betriebsbereichen, wie zum Beispiel auf Strecken zwischen Logistik-Hubs, und mit einer technischen Aufsicht, grundsätzlich ermöglicht.ha

◂ Heft-Navigation ▸

Artikel MAN-Truck erfolgreich bei autonomen Praxisfahrten im CTA: Forschungsprojekt Anita legt Basis für voll-autonome Container-Umfuhren im Terminal: Von Geisterhand steuern
Seite 12 | Rubrik UMWELT UND VERKEHR