StoreDot revolutioniert Elektromobilität: FlashBattery löst Ladezeit-Problem, Preis & Reichweite folgen?: Langstrecke – ohne lange Ladepausen
Die Elektromobilität arbeitet sich immer noch an ihren drei Grundproblemen ab: Preis, Reichweite und Ladezeit. Letzteres könnte in absehbarer Zeit gelöst sein. Denn der 2012 gegründete Batterieentwickler StoreDot will mit seiner FlashBattery einen radikalen Neuansatz vollziehen, der auch Folgewirkungen auf die ersten beiden Grundprobleme haben könnte
Ortswechsel: In Herzeliya, nördlich von Tel Aviv, einem Zentrum von Start-ups und Hightechfirmen in Israel, tüftelt man bereits seit 2014 an einer neuen „Wunderbatterie“, wie die Medien es damals bezeichneten. Dann blieb es lange ruhig um StoreDot, abgesehen von Meldungen über diverse Geldgeber, die mit Investitionen eingestiegen waren: Lucion Venture Capital, diverse Finanzinstitute aus Israel sowie China, der russische Oligarch Roman Abramovich und schließlich sogar globale Player wie Samsung (2015), Daimler (2017) und BP (2018), wobei dem britischen Mineralölunternehmen das Investment 20 Millionen Dollar wert war. Insgesamt mehr als 130 Millionen Dollar hat Storedot mittlerweile eingesammelt. Seit einigen Monaten verdichten sich die Anzeichen, dass die Flashbattery vor dem Marktanlauf stehen könnte.
Im Elektronikbereich vor allem bei Handys dürfte es durch die Verzögerungen infolge der Corona-Pandemie nun zwar erst 2021 mit der Generation 1 (Gen 1) der FlashBattery losgehen. Der anvisierte Start in die Batterieproduktion für Elektroautos mit der Generation 2 (Gen 2) soll jedoch laut CEO Dr. Doron Myersdorf (siehe Interview) unverändert 2022 vollzogen werden.
Was nun macht den gravierenden Unterschied des neuen Batterietyps im Vergleich zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien (LIB) aus? Die können mit leistungsfähigen Ladern zwar relativ schnell mit Energie versorgt werden, doch ab einem Ladestand (SoC = State of Charge) von 70 Prozent wird es äußerst zäh. Denn sie besitzen in der Regel eine relativ dicke Anode mit geringer Porosität. Das mindert die Ionendiffusion beim Austausch zwischen Kathode und Anode. Dünne Anoden mit hoher Durchlässigkeit ermöglichen zwar deutlich schnelleres Laden. Aber auf der negativen Elektrode bildet sich mit steigender Anzahl von Ladezyklen ein Film aus metallischem Lithium, was den Ionenfluss ebenfalls stört und im schlimmsten Fall zur Ausbildung der unter Batterieentwicklern gefürchteten Dendriten führen kann – und eine Selbstentladung bis hin zum Brand oder zur Explosion nach sich ziehen kann.
Die Ladungsmenge liegt viel höher
Die Anode in der FlashBattery ist dagegen ganz anders aufgebaut. Sie besitzt kein Graphit wie in Standard-LIB’s, sondern Metalloide wie Silizium, Zinn und Germanium, alles Elemente der sogenannten Gruppe IV im Periodensystem. Das ist noch nicht alles: Sie kommen zudem in Nanogröße daher und sind zum Schutz bei der Ioneninsertion mit einem organischen Film beschichtet. Das soll in Verbindung mit einer hochleitenden, thermisch optimierten Kathode und einem Elektrolyten aus bioorganischen Peptid-Nanodots den Ionentransfer erhöhen und damit ultraschnelles Laden ohne die Gefahr der Dendritenbildung ermöglichen. Durch den niedrigen Zellwiderstand steht so die annähernd volle Ladeleistung bis zu 100 Prozent Ladestand zur Verfügung, ohne dass es zu übermäßiger Zellalterung käme.
Die in Sandwichbauweise gestalteten und gestapelten Zellen der FlashBattery in Pouchform bestehen also wie herkömmliche LIB’s aus Anode, Kathode, Elektrolyt und Separator – in allen Bestandteilen jedoch erheblich modifiziert. Neu ist auch, dass alles wie in einem Beutel eingepackt ist – in einem dünnen und relativ weichen Gehäuse aus tiefgezogenem, geschweißtem Aluminiumlaminat. Weil sie so leicht und formbar sind, können die Zellen in einer Vielzahl von Formaten und Größen hergestellt werden – zum Beispiel mit weniger als einem Millimeter Höhe. Das sorgt für eine erhebliche Gestaltungsfreiheit beim Endprodukt.
Sie können wie andere LIB’s seriell und/oder parallel verbunden werden, um höhere Kapazitäten und Leistungen zu ermöglichen. StoreDot bevorzugt für die Generation zwei jedoch 20-Ah-Zellen im Format (L x B x H) von 200 x 100 x 6–10 Millimeter. Die Ladeschlussspannung beträgt unabhängig vom Format jedoch immer rund 4,3 V, vergleichbar herkömmlichen LIB-Zellen. Die Ladungsmenge übersteigt aber mit 4.200 mAh/g diejenige von Zellen mit Graphitanoden wenigstens theoretisch um den Faktor 5 – ein riesiger Unterschied.
Gleichzeitig kann eine relativ hohe Energiedichte von 200 bis 240 Wh/kg erreicht werden. StoreDot wechselt übrigens gerade die Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxide von NMC 622 auf NMC 811, das ja auch Tesla in seinen Batterien für das Model 3 verwendet. Heißt, dass das Lithiummetalloxid der Kathode mit seiner Mischung aus Mangan-, Nickel- und Kobaltoxidverbindungen künftig acht Anteile Nickel und nur noch je einen Anteil Mangan und Kobalt aufweisen wird. E-Autos mit herkömmlichen LIB’s an Bord können mit einer C-Rate von maximal 3 aufgeladen werden (Porsche Taycan 2,9, Hyundai Ioniq und Tesla Model 3 jeweils 2,5). Die C-Rate ist eine umgangssprachliche Quantifizierung für die Lade- und Entladeströme für Akkus – je höher, desto besser. So können die maximal zulässigen Lade- und Entladeströme abhängig von der Nennkapazität angegeben werden. Teslas Model 3 Long Range braucht am 95-kW-Supercharger rund 20 Minuten für 150 Kilometer Reichweite und 115 Minuten für 500 Kilometer. Aus der Praxis weiß man: Die letzten Kilometer brauchen viel Ladezeit.
Voll in fünf Minuten
Bei Fahrzeugen mit FlashBattery kann dagegen mindestens mit 5 C über den gesamten Ladezyklus bis hin zu Pulsladungen von 10 C gearbeitet werden. So sind theoretisch Energieversorgungen bis zu 100 Prozent State of Charge binnen fünf Minuten möglich. Dass StoreDot vorerst bis 2025 DC-Ladezeiten von zehn Minuten anvisiert, hat weniger mit der Batterie als mit der Ladeinfrastruktur zu tun. Will man beispielsweise ein solches Fahrzeug per 350-kW-CCS-Lader mit Energie versorgen, ist zusätzlich zu einem rund 3,5 Megawatt leistenden 10- bis 30-kV-Mittelspannungstransformator voraussichtlich ein Leistungsverstärker in Form eines Energiespeichers im Ladepark nötig.
Was kostet das? Die FlashBattery-Technologie wird voraussichtlich mindestens 10 Prozent teurer sein als herkömmliche LIB’s. Das kann jedoch mehr als wettgemacht werden, da der Akku auf 50 bis 80 kWh Kapazität begrenzt werden kann und trotzdem Langstreckeneinsätze möglich sind. Man schafft mit einer solchen Batterie auf der Autobahn vielleicht nur 300 Kilometer, doch wie beim Verbrenner wären dann mit zwei kurzen Tankstopps von je zehn Minuten 900 Kilometer Reichweite machbar.
Zudem ist man bei StoreDot überzeugt, mit der Gen 2 dank ihres beschriebenen chemischen Aufbaus rund 1.500 Ladevollzyklen erreichen zu können. Mindestens 450.000 Kilometer sollten also über die gesamte Lebensdauer der Batterie so möglich sein, mehr als Otto Normalbürger innerhalb von 20 Jahren verfährt. Ergo: Auch die angesprochenen Elektromobilprobleme 1 und 2 könnte die FlashBattery so lösen – durch relativ klein dimensionierte und damit günstige Batterien sowie hohe Reichweiten dank kurzer Tankstopps.
Dass das Prinzip der FlashBattery funktioniert, hat StoreDot bereits 2019 anhand der Aufladung eines Elektrorollers öffentlich demonstriert (siehe QR-Code). Die Zellen der Gen 1 werden derzeit vom Batteriespezialisten EVE Energy in Huizhou im Südosten Chinas hergestellt, die Prototypen für die Gen 2 auf der Pilotlinie in Israel. Gemeinsam plant man künftige sogenannte OneGiga-Fabriken mit einer Produktionskapazität von ein bis 10 GWh. Die könnten in absehbarer Zeit beispielsweise am Daimler-Standort Tuscaloosa in Alabama, wo der SUV EQS ab 2021 gebaut wird, ebenso errichtet werden wie in Europa oder China. Sollten die Prognosen von Store Dot wirklich zutreffen, hätte man die drei Grundprobleme der Elektromobilität gelöst. cb
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