Elektra-Übergabe im Berliner Westhafen: Prof. Dr.-Ing. Gerd Holbach von TU Berlin optimistisch: Leuchtturm auf dem Wasser

Das mit Wasserstoffantrieb versehene Schubboot „Elektra“ ist weltweit das erste seiner Art und kann als Blaupausenvorbild für die Energiesysteme der Branche dienen.

Vorderansicht der „Elektra“ Bild: EBMA-TU BERLIN
Vorderansicht der „Elektra“ Bild: EBMA-TU BERLIN
Christine Harttmann
Binnenschiffahrt

Sofern die letzten bürokratischen Zulassungshürden genommen sind, kann die „Elektra“ im Juni offiziell im Berliner Westhafen übergeben werden. „Ich bin optimistisch, dass wir das hinkriegen“, meint Prof. Dr.-Ing. Gerd Holbach von der TU Berlin. Als Leiter des Fachgebietes Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme (EBMS) hat er für dieses komplexe Projekt, an dem insgesamt sechs Institutionen und Unternehmen beteiligt sind, den Hut auf. Der wissenschaftliche Projektchef ist überzeugt, dass sich der emissionsfreie Antrieb in einem Jahrzehnt auf den europäischen Binnenschifffahrtswegen bemerkbar machen werde. Denn die Branche „ist bislang durchgehend nicht CO2-neutral“, konstatiert er.

„Die Idee, Wasserstoff als Treibmittel zu nutzen, ist schon in den 1960er Jahren entwickelt worden“, verdeutlicht Prof. Holbach. Gemeinsam mit der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA) beantragte die TU Berlin im Rahmen der Bundesförderung „Wasserstoff und Brennstoffzelle“ (NIP) das Forschungsprojekt „Elektra“ – ein Kanalschubboot mit emissionsfreiem Wasserstoffantrieb. Weltweit einmalig. Mit etwa acht Millionen Euro fördert das Bundesverkehrsministerium das 13-Millionen-Euro-Gesamtprojekt.

Innovativ gedacht

Am 4. November 2019 erfolgte der praktische Start dieses Leuchtturmprojektes mit der Kiellegung auf der Schiffswerft Hermann Barthel GmbH im sachsen-anhaltinischen Derben. „Für uns als zukünftigen Eigner der ‚Elektra‘ war von Anfang an klar, dass dieses innovative Schubboot dieselben Anforderungen im Betrieb erfüllen muss wie ein konventionelles Schiff und dass in der Perspektive die Betriebskosten in vergleichbarer Größenordnung liegen müssen“, formulierte Behala-Logistiker Klaus-Günter Lichtfuß. „Die Schlüsselfrage dabei ist: Wie teuer ist der Wasserstoff?“, gibt Prof. Holbach zu bedenken. Wenn der H2-Kilopreis bei fünf, sechs Euro liegt, wäre die Wirtschaftlichkeit gegeben. Doch das sind auch politische Entscheidungen.

Fakt ist aber bereits: Die „Elektra“ wird als erstes emissionsfreies Schubboot eine Vorbildfunktion übernehmen. Mit ihm lassen sich ganz reguläre Transportaufgaben, wie sie in der Binnenschifffahrt üblich sind, realisieren. Damit wird ein großer Schritt für umweltfreundliche Frachtverkehre unternommen. Schließlich erfolgt rund ein Zehntel der Gütertransporte auf der Wasserstraße. Jährlich werden so über zwei Millionen Tonnen in Berlin bewegt. „Wenn Siemens, Borsig oder MAN schwere Anlagen transportieren müssen, gibt es zum Schiff keine Alternative“, kommentiert Lichtfuß.

Das 19 m lange und 8,20 m breite Schubschiff besitzt einen Tiefgang von 1,25 m. Somit ist die „Elektra“ auch für Niedrigwasser geeignet. Der Antrieb erfolgt über zwei 200-Kilowatt-Elektromotoren. Sie beziehen ihre Energie aus einem Batterieblock hinter der Brücke, der 3,2 Megawattstunden speichert. Dort sind auch die sechs Behälter platziert, die 750 kg Wasserstoff mit einem Druck von 500 bar speichern. Mit diesen beiden Energiesystemen kann das Boot mit einer Schublast von 1.400 Tonnen bis zu 16 Stunden oder 130 km unabhängig unterwegs sein. „Wo nur mit Akkustrom und wo mit Brennstoffzelle gefahren wird, werden die Praxistests ergeben“, sagt Lichtfuß.

Der „Elektra“-Einsatz soll regional auf den Wasserstraßen im Raum Berlin-Brandenburg sowie überregional zwischen Berlin und Hamburg erfolgen. Im Regionalbetrieb sind innerhalb von acht Stunden mit einer Geschwindigkeit von 8 km/h die wichtigsten Industriestandorte erreichbar. So kann das Schiff am Schichtende wieder im Westhafen festgemacht und aufgetankt werden. Um die Batteriespeicher wieder aufzufüllen bedarf es sieben Stunden. Für den mit einer dreiköpfigen Besatzung erforderlichen Schwerlasttransport im Langstreckenbetrieb zum Überseehafen sind vier Tage mit jeweils täglich rund 130 km geplant. Vor allem für diese Aktivitäten wurde ein Fahrassistenzsystem entwickelt, das eine energiesparende Routenplanung und -simulation ermöglicht.

Tanzt elektrisch

Nicht nur in Berlin kann die „Elektra“ mit neuer Energie versorgt werden. Auch im Hafen Lüneburg (für Hamburg) am Elbe-Seitenkanal wurde für rund 110.000 Euro eine Ladestation installiert. Diese Investitionskosten teilen sich der Europäische Fonds für regionale Entwicklung und die Hafen Lüneburg jeweils zur Hälfte. Eine weitere Ladestation gibt es im Hafen Haldensleben am Mittellandkanal. Damit wurden erste Stützpunkte für eine vollelektrische Binnenschifffahrt geschaffen.

„Den Namen ‚Elektra‘ habe ich mir ausgedacht“, erzählt Prof. Holbach. „Er beruht aber auf einem Missverständnis“, gesteht der Projektchef. Denn als Kind war er von der elektrisch tanzenden Puppe in „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach fasziniert. Diese „Olympia“ hatte er als „Elektra“ in Erinnerung. Und erst nach der Namensgebung für das neuartige Schubboot erfuhr er auch, dass es 1886 in Berlin bereits ein elektrisch angetriebenes Passagierschiff gab, das auf der Spree die Nahverkehrsprobleme lösen helfen sollte. Dieses hieß allerdings „Electra“. Der Professor ist allerdings mit Blick auf die Zukunft überzeugt: „Die Welt wird insgesamt hybrider als wir uns das heute vorstellen können.“ hs

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Seite 8 | Rubrik UMWELT UND VERKEHR