Dem Boliden recht, dem Truck billig?

Das Umfeld der Formula E war prädestiniert für ein klares Statement zum Elektro-Lkw. MAN-CEO Alexander Vlaskamp gab es gerne ab und formulierte seine Erwartungen an Volker Wissing. Auch der Bundesverkehrsminister positionierte sich, allerdings nicht ganz so eindeutig.

„Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir den Straßengüterverkehr dekarbonisieren.“Dr. Volker Wissing, Bundesverkehrsminister Bild: C. Harttmann
„Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir den Straßengüterverkehr dekarbonisieren.“Dr. Volker Wissing, Bundesverkehrsminister Bild: C. Harttmann
Christine Harttmann
Berlin

Gehört dem E-Truck die Zukunft? Eindeutig ja, sagt der Vorstandsvorsitzende von MAN Truck & Bus Alexander Vlaskamp. Mitte Mai hatte er zur Diskussion nach Berlin geladen. Den würdigen Rahmen dazu bot die Formula E am Tempelhofer Feld. Neben Bundesverkehrsminister Volker Wissing saßen Kristin Kahl, deren Spedition Contargo bereits Erfahrungen im Einsatz von Batterie-Lkw gesammelt hat, der Vorstandsvorsitzende von ABB E-Mobility Frank Mühlon und eben Vlaskamp selbst auf der Bühne.

„Gemeinsam können wir den Zero-Emission-Transport ermöglichen“, versicherte Vlaskamp und wies auf den E-Truck hinter seinem Rücken. Den seriennahen Prototyp eines schweren batterieelektrischen Fernverkehrs-Lkw, der im Hintergrund parkte, hatte der MAN-Chef sozusagen zur Verstärkung mitgebracht. In der Diskussion ging es dann von Beginn an weniger um die Frage ob, sondern darum, wie wir den Elektro-Lkw fit machen für den Fernverkehr. Gemeinsam betonten Vlaskamp und Mühlon, dass die Industrie bereit für die Transformation hin zu E-Lkw sei. Sie hätten ihre Investitionsentscheidungen in batterieelektrische Fahrzeuge und Ladenetze bereits getroffen, jetzt brauche es politische Leitplanken.

„Die Transformation hin zu Null-Emissions-Technologien wird nur gelingen, wenn die Politik massiv in den Aufbau eines belastbaren Ladeinfrastrukturnetzes für schwere Nutzfahrzeuge investiert“, appellierte Vlaskamp an Wissing. „Der beschleunigte Ausbau der Ladeinfrastruktur ist die einzige Möglichkeit, die Verkehrswende herbeizuführen und die Klimaziele zu erreichen.“ Damit übergab der Lkw-Boss an den Minister, der sich beeindruckt von dem E-Truck zeigte, von dessen Beifahrersitz aus er ein paar kleine Runden lang die Power des surrenden E-Motors erfahren konnte.

Mehr E-Lkw auf die Straße

„Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir den Straßengüterverkehr dekarbonisieren“, stimmte der Minister seinem Vorredner zu. Dass dies möglich sei, lasse sich hier in Berlin bei der Formel E beobachten. Wenn in einer so spritdominierten Sportart wie dem Autorennen der Umstieg auf umwelt- und klimafreundliche Antriebe klappe, könnten auch andere folgen, ist sich Wissing sicher. „Veränderungen sind möglich, auch in Sparten, in denen man sich das vor einigen Jahren noch nicht so recht vorstellen konnte.“

Der Minister wünscht nun, dass die E-Lkw auf unseren Straßen irgendwann genauso selbstverständlich unterwegs sind, wie die E-Autos auf E-Rennstrecken. Damit das gelingt, müssen der Markthochlauf von klimafreundlichen Nutzfahrzeugen und der Aufbau einer entsprechenden Hochleistungs-Ladeinfrastruktur Hand in Hand gehen. „Wichtig ist jetzt, schnell mehr E-Lkw auf die Straße zu bekommen“, so Wissing, der darauf verwies, dass die ambitionierten Klimaziele nur dann erreicht werden können, wenn alle mitmachen, also auch der Straßengüterverkehr. „Denn der verursacht derzeit bekanntermaßen rund ein Drittel der CO2-Emissionen des gesamten Verkehrsbereichs.“ Den Umstieg auf alternative, klimafreundliche Antriebe bezeichnete Wissing als ganz wesentlichen Hebel, „um die Branche zukunftsfähig zu machen“.

In ihrem Klimaschutzprogramm 2030 hat die Bundesregierung bereits festgelegt, dass bis zum Ende dieses Jahrzehnts etwa ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe erfolgen muss. Als einen entscheidenden Punkt für den dazu notwendigen Hochlauf klimaschonender Nutzfahrzeuge führt Wissing den Auf- und Ausbau der Infrastruktur an. Das habe oberste Priorität und sei daher eine Kernmaßnahme im Masterplan Ladeinfrastruktur II. Genaueres will Wissing dazu nicht sagen. Derzeit werde der Plan noch im Kabinett abgestimmt und solle noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Gleichzeitig arbeiten die europäischen Hersteller bereits emsig an leistungsfähigen E-Lkw, muss ihnen der Minister zugestehen. Viele von ihnen, auch MAN, treiben außerdem die notwendige Infrastruktur voran.

Konkret werden soll es

Dabei seien Partnerschaften entscheidend, hob Vlaskamp mit einem Seitenblick auf den Minister hervor. „Wir müssen in die Konkretisierung gehen.“ Auch die Lkw, die deutsche Hersteller für das Ausland bauen, müssten in Deutschland geladen werden können. „Denn Deutschland ist ein Transitland“, so Vlaskamp.

Als „Henne-Ei-Spiel“ bezeichnet Kristin Kahl von Contargo die Diskussion um Fahrzeuge und Infrastruktur. Der Logistikdienstleister fährt im Kombinierten Verkehr seit 2019 mit vier elektrischen Fahrzeugen und hat damals noch viel eigenes Geld in die Hand genommen. Das Förderprogramm gibt es ja erst seit dem vergangenen Jahr. Ein Grund zum Jammern ist das für Kahl jedoch nicht: „Wir wissen jetzt, was wir auf dem Betriebshof brauchen.“ Mit der Ladesäule allein sei es nämlich nicht getan. Intelligentes Energiemanagement, etwa mit Pufferspeicher gehöre ebenfalls zum Erfolg.

Ist aber alles lösbar. Angst vor einem Zusammenbruch des Stromnetzes müsse niemand haben, betonte ABB-Chef Mühlon. „Dunkel wird es im Winter in der Nacht, aber nicht, wenn die Lkw fahren.“ Selbst wenn der gesamte Verkehr von heute auf morgen vollelektrisch fahren würde, stiege der Strombedarf um nicht mehr als zehn bis 15 Prozent. In der Gesamtmenge würde das funktionieren, ist sich Mühlon sicher. Allerdings müsste die Versorgung nachjustiert werden, „damit die Energie auch dort ist, wo wir sie brauchen“.

Maßnahmen-Dreiklang

Für die Politik verwies Wissing noch auf das Gesamtkonzept Klimafreundliche Nutzfahrzeuge als zentralen Fahrplan, um die Klimaschutzmaßnahmen im Güterverkehr bis 2030 umzusetzen. Er sprach von einem Dreiklang aus Fahrzeugförderung, Infrastrukturaufbau und geeigneten regulatorischen Maßnahmen. „Dabei setzen wir auf Innovation, Investition und Technologieoffenheit“, relativierte Wissing sein vorheriges klares Bekenntnis zur Elektromobilität leicht. Er hob das Förderprogramm hervor, das bereits sein Vorgänger Andreas Scheuer auf den Weg gebracht hatte und das den Kauf von Nutzfahrzeugen mit alternativen Antrieben zu 80 Prozent bezuschusst. Mehr als 450 Anträge für insgesamt etwa 2.000 Fahrzeuge wurden bisher eingereicht.

Die Zahlen zeigen, dass das Interesse und die Bereitschaft, auf klimafreundliche Antriebe umzustellen, da ist – bei Fahrzeugherstellern, Speditionen und Endkunden. Denn auch der zweite Förderaufruf, der voraussichtlich im Juni veröffentlicht werden soll, ist als Anschubhilfe gedacht. Auf längere Sicht müsse es um marktwirtschaftliche Anreize gehen, so der Minister. Und dann nennt Wissing noch ein konkretes Ziel: Das europaweite Tank- und Ladeinfrastrukturnetz soll bis Ende 2030 fertiggestellt sein. Die EU-Kommission hat das so beschlossen. ha

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Seite 6 | Rubrik UMWELT UND VERKEHR