E-Lkw ab 2030 wirtschaftlicher als Diesel

Eine neue Studie von TNO und Agora belegt: E-Lkw könnten schneller auf die Straße kommen als erwartet. Es gebe keine Abstriche bei Reichweite, Laufzeit und Nutzlast. Die Brennstoffzelle bleibe aber teurer als der Dieselantrieb.

Die zügige Errichtung einer MCS-Schnellladeinfrastruktur entlang der Transporttrassen ist das Gebot der Stunde. Bild: Daimler Truck AG
Die zügige Errichtung einer MCS-Schnellladeinfrastruktur entlang der Transporttrassen ist das Gebot der Stunde. Bild: Daimler Truck AG
Claus Bünnagel
Alternative Antriebe

Deutschland und Europa könnten bei neu verkauften Lkw schneller komplett emissionsfrei werden als bisher erwartet. Dabei seien weder die Gesamtkosten noch die Betriebsanforderungen ein Hindernis für den Markthochlauf. Das jedenfalls ist das Fazit einer Studie, die die niederländische Forschungsorganisation Netherlands Organisation for Applied Scientific Research (TNO) im Auftrag des deutschen Thinktanks Agora Verkehrswende (AVW) und der europäischen Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) erstellt hat.

Neue batterieelektrische Trucks werden demnach im Vergleich zu ihren Dieselpendants bereits im Jahr 2030 in 99,6 Prozent aller Anwendungsfälle in der Gesamtkostenrechnung günstiger sein und die gleichen Anforderungen an Reichweite, Laufzeit und Nutzlast erfüllen – selbst bei einer Annahme von um 31 Prozent steigenden Batteriepreisen und um 26 Prozent anziehenden Stromkosten sowie um zwölf Prozent sinkenden Dieselpreisen. Bei Lkw im Regional- und Stadteinsatz sind bereits 2024 alle neuen E-Fahrzeuge besser in der TCO-Berechnung als Verbrenner. Sie absolvieren zwischen 150 und 400 Kilometer am Tag – Laufleistungen, die schon die nächste Fahrzeuggeneration problemlos erreichen kann.

Doch auch schwere Sattelzüge im Fernverkehr lassen sich ohne größere Schwierigkeiten elektrifizieren. Sie sind am Tag meist zwischen 300 und 700 Kilometer unterwegs, nur drei Prozent liegen bei den Tagesdistanzen über 800 Kilometer. Schon heute sind die aktuellen E-Modelle in der Lage, bis zu 500 Kilometer Strecke ohne Aufladung zurückzulegen. Bei durchschnittlichen Tagesumläufen von 530 Kilometern müssen viele Fahrzeuge künftig noch nicht einmal zwischenladen und können ihre Batterien schonend über Nacht mit Energie versorgen. Die nächste Lkw-Generation ab 2025 bis 2028 verspricht bereits Reichweiten von rund 800 Kilometern. Dabei müssen die batterieelektrischen Fahrzeuge kaum auf Nutzlast verzichten. Zwar wiegen Batterien für 40-Tonner heute rund 5,1 Tonnen, zuzüglich 0,7 Tonnen für den E-Motor. Durch den Wegfall von Verbrennungsmotor und Getriebe (2,2 Tonnen) sowie die Anrechnung des Gewichtsbonus bei emissionsfreien Fahrzeugen (2,0 Tonnen) beträgt der Nutzlastverlust im Jahr 2025 nur 1,55 Tonnen. Mit sinkenden Batteriegewichten erreicht der E-Sattelzug 2035 Gleichstand mit dem Dieselpendant.

30-Prozent-Ziel vorziehen

Es sind also nicht technische Gründe, die momentan gegen einen schnellen Hochlauf bei der Lkw-Elektrifizierung sprechen. Vor allem die 2019 auf EU-Ebene beschlossenen CO2-Emissionsstandards sind nicht ausreichend für eine Verkehrswende im Transportgewerbe. Danach sollen die CO2-Emissionen für neu zugelassene Fahrzeuge ab 2025 um 15 Prozent niedriger sein als in den Vergleichsjahren 2019 und 2020, ab 2030 um 30 Prozent. Die Studie legt daher nahe, das 30-Prozent-Ziel auf 2027 vorzuziehen und für 2030 eine Reduzierung um 65 Prozent festzulegen. Ansonsten würden bis 2030 circa 500.000, bis 2035 sogar rund 1,33 Millionen Nullemissions-Lkw weniger zugelassen, als technisch möglich wäre und AVW sowie T&E empfehlen. Allerdings plant die Europäische Kommission im Zuge ihrer Green-Deal-Strategie, in den kommenden Monaten einen neuen Vorschlag für die CO2-Flottengrenzwerte von Lkw vorzulegen. Synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) und Biokraftstoffe sollten dabei nicht auf die Grenzwerte angerechnet werden können, mahnt der Thinktank Agora.

„Mit ihren Klimaschutzvorgaben kann die Politik EU-weit Planungssicherheit für Hersteller und Transportunternehmen schaffen und deren Wettbewerbsfähigkeit stärken. Neben den Flottengrenzwerten hat die Politik weitere Instrumente in der Hand, um die Transformation zu beschleunigen. Effektiv wären in den Jahren bis 2030 vor allem Kaufprämien für emissionsfreie Lkw und nach CO2-Emissionen differenzierte Straßennutzungsgebühren für Lkw“, plädiert Fedor Unterlöhner, Bereichsleiter Güterverkehr bei T&E.

Wichtige Infrastruktur

Entscheidend ist auch die zügige Errichtung einer Schnellladeinfrastruktur zunächst entlang der zentralen Transporttrassen, gefolgt vom gesamten europäischen Autobahnnetz in Abständen von maximal 60 Kilometern. Skepsis ist hier angebracht, denn wenn schon in Deutschland die Entwicklung des MCS-Ladens (Megawatt Charging Systems) sowie staatliche Lenkungsmechanismen für die Entwicklung der Lkw-Elektrifizierung noch unzureichend sind, ist die Lage in vielen europäischen Staaten noch düsterer. Deutschland verbuche wenigstens die 80-Prozent-Förderung für die Mehrkosten von E- und Brennstoffzellen-Trucks gegenüber den Dieselpendants für sich, loben AVW und T&E. Zudem seien Hochenergieladen sowie eine CO2-abhängige Maut in Vorbereitung.

Keine wichtige Perspektive für die Zukunft räumt die Studie dem Wasserstoff-Lkw ein, selbst nicht im Fernverkehr. Dessen TCO-Kosten rangierten selbst 2040 noch über dem Dieselpendant. Auch die Kostenkluft zum E-Truck kann der brennstoffzellenbetriebene Lkw bis dahin nicht wesentlich verringern. Die Studie sieht ihn daher nur in Nischenanwendungen und in wenigen europäischen Ländern als konkurrenzfähig. cb

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