Ausgebrummt?

Das Europäische Parlament hat eine emissionsfreie Mobilität bis 2035 beschlossen. Hat der Verbrenner nun endgültig ausgedient?

Keine Verbrenner mehr auf europäischen Straßen? Zumindest Neuwagen dürfen ab 2035 nur noch emissionsfrei laufen, beschloss die EU. Bild: Pixabay
Keine Verbrenner mehr auf europäischen Straßen? Zumindest Neuwagen dürfen ab 2035 nur noch emissionsfrei laufen, beschloss die EU. Bild: Pixabay
Nadine Bradl
Verbrenner

In einer Abstimmung Anfang Juni verabschiedeten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments ihren Standpunkt zu den vorgeschlagenen Regeln zur Überarbeitung der CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge mit 339 Stimmen zu 249 bei 24 Enthaltungen.

Damit unterstützen die Abgeordneten den Vorschlag der Kommission, bis zum Jahr 2035 eine emissionsfreie Mobilität im Straßenverkehr zu erreichen (ein EU-weiter Flottenzielwert zur Verringerung der von neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen verursachten Emissionen um 100 Prozent im Vergleich zu 2021). Im Klartext: Es ist das Aus für den Verbrenner. Die Zwischenziele für 2030 liegen bei 55 Prozent für Pkw und 50 Prozent für die Lieferwagen. Nun muss mit den EU-Staaten über einen Vertrag verhandelt werden.

Berichterstatter Jan Huitema (Renew, NL): „Eine ehrgeizige Überarbeitung der CO2-Normen ist ein entscheidendes Element zur Erreichung unserer Klimaziele. Mit diesen Standards schaffen wir Klarheit für die Autoindustrie und stimulieren Innovation und Investitionen für die Autohersteller. Darüber hinaus wird der Kauf und das Fahren von emissionsfreien Autos für die Verbraucher billiger werden. Ich freue mich, dass das Europäische Parlament eine ehrgeizige Überarbeitung der Ziele für 2030 und ein 100-Prozent-Ziel für 2035 unterstützt hat, was für das Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 entscheidend ist.“

ADAC: Perspektive fehlt

Das vom Europäischen Parlament beschlossene faktische Aus der Verbrenner-Technologie bedauert der ADAC. Allein mit der Elektromobilität werden sich im Verkehr die ambitionierten Klimaschutzziele nicht erreichen lassen, heißt es in einer Pressemitteilung. Deshalb wäre es notwendig gewesen, auch eine Perspektive für den klimaneutral betankten Verbrennungsmotor zu eröffnen..

„Der Rat ist nun gefordert, eine klare Haltung zugunsten von Technologieoffenheit und effizienter CO2-Reduktion zu ergreifen, um in den Trilog-Verhandlungen zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen. Deutschland als wichtige Stimme in Europa sollte in diesem Sinne seine Verhandlungsposition überdenken“, sagt ADAC Technikpräsident Karsten Schulze.

Eine „Einbahnstraße“ titelt auch der CSU-Europaabgeordnete und verkehrspolitische Sprecher der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber. Das Votum im Europäischen Parlament zementiere das Aus für den Verbrennungsmotor. „Damit steuert die EU ihre zukünftige Verkehrspolitik per Einbahnstraße in die E-Mobilität, zulasten von technologischer Offenheit, Arbeitsplätzen und dem Industriestandort Deutschland“, so Ferber.

Innovationsblindheit

„In 13 Jahren ist es soweit: Dann dürfen neue Pkw kein CO2 mehr emittieren - de facto wird damit der Verbrennungsmotor schon heute aufs Abstellgleis geschoben“, resümiert der CSU-Europaabgeordnete. Ferber kritisiert vor allem die fehlende Weitsicht und den Mangel an Technologieneutralität: „Die linke Mehrheit im Parlament versteift sich völlig auf die Elektromobilität und blendet dabei jegliche andere Alternativen aus, wie zum Beispiel synthetische Kraftstoffe. Das ist für mich pauschale Innovationsblindheit mit fatalen Folgen.“ Ferber mahnt angesichts von Herausforderungen wie dem Ladesäuleninfrastrukturausbau oder Stromkapazitäten vor fehlender Flexibilität und unklaren Rahmenbedingungen in der Zukunft: „Das ist eine Rechnung mit einigen unbekannten Variablen, die linke Mehrheiten nun künstlich festgesetzt haben. Wir spielen verkehrspolitischen Poker und setzen dabei alles auf eine Karte – Flexibilität ist da leider Fehlanzeige.“

Auch wenn das Verbrennerverbot nicht für Bestandsautos gilt, so dürfen ab 2035 neu zugelassene Pkw und leichte Nutzfahrzeug kein CO2 mehr emittieren. Mit dem Aus für Diesel und Benziner geht ein klares Signal hin zur E-Mobilität und zulasten des Arbeitsmarktes: „Nicht nur Kosten für den Infrastrukturausbau kommen auf uns zu, sondern auch Verluste von circa einer halben Million von Arbeitsplätzen, vorrangig in der Zulieferindustrie.“ Für den CSU-Europaabgeordneten bedeutet die Entscheidung für die E-Mobilität jedoch auch den Aufbau neuer Abhängigkeiten: „Neben der Infrastruktur, dem Preis und der Reichweite sollten wir auch über das Herz des E-Autos diskutieren: die Batteriezellen. Diese stammen überwiegend aus China. Damit begeben wir uns mit der Absage an die Technologieneutralität in neue Abhängigkeitsverhältnisse – ein fatales Zeichen für den Industriestandort Deutschland sowie die gesamte EU.“

VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagt: „Die deutsche Autoindustrie bekennt sich zum Ziel der Klimaneutralität und investiert Milliarden, um dieses Ziel zu erreichen. Mit dem Beschluss eines Null-Gramm-Ziels für den CO2-Ausstoß von neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen im Straßenverkehr ab dem Jahr 2035 hat das EU-Parlament heute jedoch eine Entscheidung gegen die Bürger, gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien getroffen. So will diese Entscheidung nicht wahrhaben, dass es in weiten Teilen Europas keine ausreichende Ladeinfrastruktur gibt. Es ist daher für eine derartige Zielsetzung schlichtweg noch zu früh. Die Kosten der Verbraucher werden dadurch erhöht, das Verbrauchervertrauen aufs Spiel gesetzt.“

Rahmenbedingungen

Die Politik könne nicht mehr Tempo von der Industrie fordern, ohne selbst die Rahmenbedingungen zu schaffen, die dieses Tempo ermöglichen. Das gelte neben dem notwendigen Ausbau der Ladeinfrastruktur genauso für die mangelnde Digitalisierung und das fehlende Engagement bei den dringend notwendigen Rohstoff- und Energiepartnerschaften.

In einem nächsten Schritt müssten sich die Mitgliedstaaten auf eine Position einigen. Danach können die Trilogverhandlungen beginnen. „Dabei werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass für eine so weitreichende Entscheidung zuerst die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden: Flottenregulierung und der Ausbau der Ladeinfrastruktur müssen zwingend zusammengedacht werden. Daher empfehlen wir ein Review im Jahr 2028, in dem über die finale Zielsetzung nach 2030 entschieden wird. Der Weg für technologieoffene Lösungen sollte grundsätzlich immer offen gehalten werden. Zudem gilt: Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es auch E-Fuels: Denn sie ermöglichen, den Fahrzeugbestand zu adressieren und entsprechend klimaneutral zu betreiben. Nur so kann das Ziel eines klimaneutralen Verkehrs erreicht werden.“

„Das EU-Parlament hat die Ausweitung des CO2-Handels für Gebäude und Straßenverkehr abgelehnt und damit einen großen Fehler gemacht. Am besten reduziert man CO2 mit marktwirtschaftlichen Preissignalen, die Planungssicherheit geben und Innovationen fördern. Das ist der effizienteste Weg, nicht das Verbot bestimmter Technologien. Der Emissionshandel ist das zentrale Instrument zur CO2-Reduktion in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Höhere Preise für CO2-Ausstoß würden klare Investitionssignale setzen und den gesamten Verkehrssektor weiter Richtung CO2-Vermeidung orientieren. Soziale Härten könnten durch gezielte Ausgleichsmaßnahmen vermieden werden. Außerdem ist das ETS-System für den Hochlauf von E-Fuels im Straßenverkehr wichtig: E-Fuels reduzieren die CO2-Emissionen der Bestandsflotten, also von den weltweit rund 1,5 Milliarden Fahrzeugen, die aktuell auf den Straßen sind.“

E-Auto-Revolution

Dem Klima sei es egal, woher das CO2 kommt, Hauptsache es werde schnell weniger. „Deshalb wird die deutsche Automobilindustrie weiterhin dafür eintreten, den Emissionshandel rasch auszuweiten. Dieser bleibt der beste und nachweislich effektivste Weg hin zur Klimaneutralität.“ Ganz anders sieht es hingegen Lisa Badum (Die Grünen), Obfrau im Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Deutschen Bundestags: „Die E-Auto-Revolution wird kommen. Ab 2035 werden in der EU nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen, entsprechend früher wird sich das für Deutschland auswirken. Ein großer Erfolg, um Verkehr in Europa endlich auf Klima-Kurs zu bringen.“

Und auch SPD-Kollege Tiemo Wölken, Mitglied des EU-Parlaments, verkündet auf Facebook: „Gestern haben wir im EU-Parlament für emissionsfreie Autos ab 2035 gestimmt. Die verschärften CO2-Grenzwerte für neue (!) Pkw und Vans sind nicht nur ein Meilenstein im Klimaschutz, sondern schützen auch unsere Gesundheit, fördern die Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten und erhöhen die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Dass die Scheinlösung der synthetischen Kraftstoffe keine Mehrheit gefunden hat, freut mich sehr. Synthetische Kraftstoffe werden auch in Zukunft sehr teuer sein und basieren auf grünem Wasserstoff, den wir in anderen Sektoren dringender brauchen.“ nbr

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Seite 2 | Rubrik POLITIK