Europaparlament einigt sich auf Mobilitätspaket: 3,6 Mio. Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer betroffen: Schluss mit dem Nomadentum

Das Europaparlament will die Arbeitsbedingungen für Fernfahrer verbessern, Wettbewerbsverzerrungen im Speditionsgewerbe entgegenwirken und gegen Briefkastenfirmen angehen.

Das Mobilitätspaket soll dem Nomadentum der Lkw-Fahrer auf den Raststätten ein Ende setzen. Bild: HUSS-Verlag
Das Mobilitätspaket soll dem Nomadentum der Lkw-Fahrer auf den Raststätten ein Ende setzen. Bild: HUSS-Verlag
Christine Harttmann
Mobilitätspaket

Eine Woche nachdem die ursprünglich geplante Abstimmung verschoben worden war, haben die Abgeordneten des Europaparlaments in Brüssel am 4. April doch noch eine gemeinsame Position zu der geplanten Neuregelung der Kabotage, der Lenk- und Ruhezeiten und der Entsendung von Fahrern gefunden. Betroffen sind laut Forschungsdienst des Europäischen Parlaments 3,6 Millionen Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer.

Auf Basis dieses von der Mehrheit der Abgeordneten abgesegneten Mobilitätspakets will das Parlament mit dem Rat über die Erneuerung der Vorschriften für die Entsendung und die Ruhezeiten von Fahrern und eine bessere Durchsetzung der Kabotagevorschriften verhandeln. Es geht um Vorschriften zur Kabotage, den Lenk- und Ruhezeiten sowie den Entsendevorschriften bei Berufskraftfahrern. Die Parlamentarier wollen bessere Arbeitsbedingungen für die Lkw-Fahrer in Europa schaffen, Wettbewerbsverzerrungen im Speditionsgewerbe entgegenwirken und gegen Briefkastenfirmen angehen. Außerdem sagt das Parlament mit der Verabschiedung des Mobilitätspakets dem Nomadentum der Fahrer auf den Parkplätzen vornehmlich am Wochenende den Kampf an.

 

Wochenende zu Hause

Mit dem Mobilitätspaket soll zukünftig der Zeitraum für Kabotagefahrten nach dem Grenzübertritt von sieben auf drei Tage verkürzt werden, auch um Verstöße der Spediteure gegen die Vorschriften leichter ahnden zu können. Jeder Grenzübertritt soll im Fahrtenschreiber registriert werden. Im Anschluss an jede Fahrt soll für 60 Stunden eine Kabotagesperre gelten, die der Fahrer mitsamt seinem Fahrzeug im Heimatland verbringen muss – eine sogenannte „Cooling-off-Phase“. Damit wollen die Parlamentarier eine systematische Kabotage unterbinden.

Die Abgeordneten schlugen zudem Änderungen vor, um bessere Ruhezeiten von Kraftfahrern zu gewährleisten. Sie verpflichten die Unternehmen, dass sie ihre Transporte künftig so organisieren, dass die Fahrer in regelmäßigen Abständen – mindestens alle vier Wochen – zu Hause sind, statt monatelang im Lkw durch Europa zu touren. Die regelmäßige Ruhezeit am Ende der Woche sollen die Fahrer zumindest außerhalb ihrer Kabine verbringen. Das Vagabundieren unter hygienisch fragwürdigen Umständen auf Autobahnparkplätzen soll somit der Vergangenheit angehören.

„Das neue Gesetzespaket will dem unseligen Nomadendasein der Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer ein Ende setzen. Alle Unternehmen, die entgegen der bisherigen gesetzlichen Grauzonen in diesem Sektor seriöse Arbeit leisten, profitieren von dem heute beschlossenen Paket“, so Ismail Ertug, verkehrspolitischer Sprecher der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament.

60 Stunden Cooling-off

Um die Nutzung von Briefkastenfirmen zu bekämpfen, fordern die Abgeordneten, müssten die in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Kraftverkehrsunternehmer von dort „wesentliche Tätigkeiten” ausüben. Da die Unternehmen für ihre Fahrten außerdem zunehmend leichte Nutzfahrzeuge einsetzten, sollen die EU-Normen künftig für Transporter ab 2,4 Tonnen gelten. Der Smart-Tachograph soll bei diesen leichteren Fahrzeugen verbindlich zum Einbau und zur Nachrüstung eingeführt werden. Die Abgeordneten fordern, dass die Entsendevorschriften sowohl für die Kabotage als auch für grenzüberschreitende Beförderungen gelten. Allerdings bleiben Transitverkehre und bilaterale Verkehre mit bis zu einer zusätzlichen Entladestelle je Richtung davon ausgenommen.

Dies kritisierte Terry Reintke, die Verhandlungsführerin der Grünen/EFA-Fraktion: „Der Grundsatz gleiches Recht und gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss für alle gelten, das Wettrennen um die niedrigsten Standards darf in einem sozialen Europa keinen Platz haben.“

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) begrüßt die Einigung des Europäischen Parlaments beim Mobilitätspaket. Besonders positiv bewertet der Verband die vorgesehene Heimkehrpflicht für Lkw-Fahrer zu ihren Familien sowie die Rückkehrpflicht für international eingesetzte Lkw in ihr Zulassungsland nach jeweils spätestens vier Wochen. Einen weiteren Erfolg sieht der BGL in der Aufnahme des von ihm vorgeschlagenen Lenkzeitzuschlags um maximal zwei Stunden für Lkw-Fahrer, die sich auf dem Heimweg ins Wochenende befinden. Dieser Zuschlag ist in der Folgewoche auszugleichen, ermöglicht dem Fahrer aber bei unvorhersehbaren Verzögerungen, das Wochenende bei ihren Familien zu verbringen.

„Jetzt hoffen wir, dass sich die EU-Parlamentarier und die EU-Verkehrsminister zeitnah auf die letzten Details beim Ausformulieren der Gesetzestexte einigen“, so das Statement von BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt.

ha

Foto: HUSS-Verlag

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Seite 3 | Rubrik POLITIK UND WIRTSCHAFT