Paketflut steigt: Lieferfahrermangel und höhere Löhne bei Oliver Wyman-Analyse Letzte Meile 2028: Ein Umdenken ist erforderlich
Im vergangenen Jahr wurden nach Mitteilung des Beratungsunternehmens Oliver Wyman in Deutschland rund 3,5 Milliarden Pakete ausgeliefert. In zehn Jahren sollen es bereits neun Milliarden sein. Die Paketflut ist nur mit zusätzlichen Lieferfahrern zu stemmen. Doch schon heute herrscht ein akuter Fahrermangel, dem nur mit höheren Löhnen begegnet werden kann.
Allein die steigenden Personalkosten werden laut der Oliver-Wyman-Analyse „Letzte Meile 2028“ dazu führen, dass sich die Zustellkosten pro Paket bis 2028 fast verdoppeln. Der Analyse zufolge wird die Haustürzustellung schon bald zum Luxusgut. Die meisten Pakete werden dann gesammelt an Paketautomaten oder -shops ausgeliefert und vom Besteller selbst abgeholt. Das Ganze nennt sich dann Multi-Drop-Zustellung. Paketdienstleister müssten dafür ihr Netz an Paketstationen weiter ausbauen und wesentlich verdichten so die Marktanalyse.
Am Wochenende online bestellt, Montag nach Hause geliefert. Dieser heute selbstverständliche, kostenlose Service werde bald der Vergangenheit angehören. Grund dafür seien die durch die wachsende Menge an Paketen rasant steigenden Personalkosten und der gleichzeitige wettbewerbsbedingte Druck auf die Preise. Verschärft werde das Kostenproblem durch stark schwankende Paketmengen, die täglich ausgeliefert werden. Montags und dienstags sei die Paketflut besonders groß, an anderen Wochentagen würden deutlich weniger Lieferfahrzeuge gebraucht.
Verbraucher merken nichts
Noch würden die Verbraucher nichts von dem steigenden Kostendruck spüren, denn Preissteigerungen konnten sich im Markt bislang nicht durchsetzen, so Michael Lierow, Supply Chain-Experte und Partner bei Oliver Wyman. Der Wettbewerbsdruck im Bereich der letzten Meile sei enorm. Lierow: „Noch sind die Preise für die Auslieferung von Paketen zur Haustür daher sehr niedrig. Doch das wird und muss sich sehr bald ändern. Besonders auf der letzten Meile müssen Besteller mit Zusatzkosten rechnen.“
Aufgrund der prognostizierten Verdreifachung der Paketmengen auf bis zu neun Milliarden Pakete im Jahr 2018 steige der Bedarf an Lieferfahrern auf bis zu 200.000 (2018: 90.000). Um dem sich verschärfenden Fahrermangel zu begegnen und den Beruf attraktiver zu machen, ist laut Oliver Wyman-Analyse eine Anhebung der Stundenlöhne von aktuell rund 15 Euro auf bis zu 30 Euro erforderlich. Die steigenden Personalkosten werden die direkten Kosten pro Paket von 2,50 Euro auf 4,50 Euro klettern lassen.
„Schon heute steigen die Kosten im Bereich der letzten Meile rasant, die Schere zwischen Zustellkosten auf der einen und Kosten pro Paket auf der anderen Seite wird immer größer“, erklärt Lierow. Um langfristig profitabel zu sein und der wachsenden Menge an Paketen Herr zu werden, sollten Paketdienstleister jetzt neue Wege im Bereich der letzten Meile einschlagen. Lierow: „Denn nicht alle Verbraucher werden bereit sein, den hohen Preis für die Zustellung an der Haustür zu bezahlen.“
Bei der alternativen Multi-Drop-Zustellung werden mehrere Pakete auf einmal an Paketautomaten oder -shops ausgeliefert. Der Besteller holt die Ware dort ab und erledigt damit die letzte halbe Meile der Zustellung selbst. „Durch diese Form der zentralen Auslieferung sinkt die Zahl an Paketfahrzeugen auf Deutschlands Straßen,“ sagt Lierow. Der Verkehr werde weniger, Emissionen gehen zurück, die Infrastruktur wird entlastet. Zudem seien die Kosten für die Zustellung deutlich geringer als bei der Haustürzustellung. Der Oliver Wyman-Analyse zufolge belaufen sich die Kosten bei der Multi-Drop-Zustellung 2028 auf 2,80 Euro bis 3,30 Euro pro Paket. Damit sei sie mehr als ein Drittel günstiger als die Haustürzustellung, die in zehn Jahren 4,50 Euro je Paket kosten werde.
Nachholbedarf
In Deutschland sei die Zustellung an Paketautomaten oder -shops allerdings weitaus weniger verbreitet als in vielen Nachbarländern. In Polen etwa werde bereits heute eine große Anzahl an Paketen über Paketstationen zugestellt. Lierow: „In Deutschland wird sich der Konsument in den nächsten Jahren umgewöhnen müssen: Entweder er zahlt für die letzte Meile oder er steigt auf Paketautomaten oder -shops um. Diese müssen die Paketdienstleister in den nächsten Jahren ausbauen.“
Neben neuen Lösungen im Bereich der letzten Meile müssten Paketdienstleister auch dynamischere Auslieferungsstrukturen schaffen, so die Analyse. Denn die meisten Verbraucher würden am Wochenende bestellen, sodass Auslieferungen am Montag und Dienstag 30 Prozent höher sind als in der restlichen Woche. So werden am Anfang der Woche fast doppelt so viele Lieferfahrer benötigt. Und genauso wie der Bedarf an Fahrern schwankt, so schwankt auch die Nachfrage an Sortierleistungen. Agile Depots, in denen bestimmte Abschnitte bei Bedarf nicht genutzt oder aber hochgefahren werden, könnten helfen, die Schwankungen besser auszugleichen. Hinzu empfiehlt die Analyse agile Linien- und Routenfahrpläne. Erfolgt die Zustellung heute standardmäßig über Hubs, an denen Pakete gesammelt werden, könne mit dynamischer Planung der Zwischenstopp am Hub an Tagen mit vielen Paketen ausgelassen werden und der Fahrer stattdessen direkt von A nach B fahren. Lierow: „Neue Technologien wie Machine Learning können dabei helfen, exakte Mengen pro Depot vorherzusagen und dynamisch zu planen. Durch eine flexiblere Depot- und Hub-Struktur können Paketdienstleister Einsparungen von bis zu 20 Prozent erzielen.“tbu
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