Ladehemmung in der Heimat

In seinem Heimatland startet demnächst die Produktion des Next Gen eCanter. Ein guter Anlass, dort einmal vorbeizuschauen und sich den Truck von seinen Erfindern erklären zu lassen.

Chefredakteurin Christine Harttman auf Testfahrt unter etwas anderen Bedingungen: Das Lenkrad ist in Japan auf der rechten Seite und die Maske noch immer unbedingtes Muss im Alltag. Bild: Daimler Truck/Pierre John
Chefredakteurin Christine Harttman auf Testfahrt unter etwas anderen Bedingungen: Das Lenkrad ist in Japan auf der rechten Seite und die Maske noch immer unbedingtes Muss im Alltag. Bild: Daimler Truck/Pierre John
Christine Harttmann
Japan

In Kawasaki, am Stammsitz von Mitsubishi Fuso, hat Daimler Truck den Next Gen eCanter präsentiert. Auf der IAA Transportation in Hannover im September hatte der Hersteller das Line-up erstmals angekündigt. Nun läuft im Heimatwerk südwestlich von Tokio die Produktion für den asiatischen Raum an. Auch in Portugal wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis die ersten Fahrzeuge der nächsten Generation eCanter für Europa vom Band rollen.

Für die neue Modellreihe wurde der 2017 erstmals vorgestellte E-Lkw erheblich überarbeitet. Er ist speziell auf den innerstädtischen Verteilerverkehr und die Anforderungen an die letzte Meile zugeschnitten. Drei unterschiedliche Batteriepakete ermöglichen eine Reichweite von 70 bis 200 Kilometer. Die Akkus können mit Wechsel- oder Gleichstrom geladen werden. Standard ist CCS-Laden mit 104 kW. Wobei das mit dem Laden gerade in Japan so eine Sache ist.

Der eCanter, der 2017 durchaus als einer der Pioniere bei der Elektrifizierung des Lieferverkehrs galt, hat in seinem Heimatland Japan keinen leichten Stand. Schnelllader sind erheblichen Restriktionen unterworfen. Es gibt sie deswegen so gut wie nicht. In Shinagawa Branch, dem Verkaufs- und Servicecenter in der Nähe des Tokioer Hafens, erzählt man uns, dass die übliche Ladezeit mit dortiger Technik bei elf Stunden liege – ein echtes Hindernis für den Vertrieb. Dennoch hofft man, demnächst mit einem großen einheimischen Transportunternehmen einen Kontrakt über eine erkleckliche Zahl an Fahrzeugen abschließen zu können.

Sehr variantenreich

Das könnte dann der wichtige Meilenstein in den Markt sein, auf den Fuso noch wartet. Gut darauf vorbereitet sieht man sich. In allen 180 Servicewerkstätten des Landes ist mindestens ein Mitarbeiter auf die Hochvolttechnik des eCanter trainiert. Während die erste Generation des eCanter in Japan mit gerade einmal fünf Varianten aufwartet, soll es bei der neuen Generation weltweit mehr als 100 Varianten geben – mehr als jemals zuvor. Für den japanischen Inlandsmarkt sind 28 Varianten vorgesehen. Zu dem 7,5-Tonner der aktuellen Angebotspalette gesellt sich ein etwas kleinerer 4,25-Tonner und der größere 8,55-Tonner. Zwischen zwei Fahrerhausvarianten – 1,7 Meter und zwei Meter breit – können die Kunden wählen. Auch die Palette der Radstände wurde erweitert: von 2.500 Millimeter bis 4.750 Millimeter reichen sie.

Mit dem Next Gen eCanter solle der Übergang vom Diesel zum batterieelektrischen Fahrzeug eingeleitet werden, erklärte Yoshihiko Ozaki, der bei Mitsubishi für die Fertigung des eCanter verantwortlich ist, bei einem Besuch am Stammsitz. Ab 2039 wolle man in den Triademärkten – Nordamerika, Europa, Ost- und Südostasien – ausschließlich noch CO2-neutrale Fahrzeuge verkaufen. Fuso will daher die Produktion des eCanter sukzessive hochfahren. Aktuell hat er in Japan gerade einmal einen Anteil von einem Prozent an der Produktion. Es bedarf großer Flexibilität, wenn die Stückzahlen hochgetrieben werden sollen. Daher hat man sich für eine gemischte Fertigung entschieden.

Ein Chassis für beide

Canter und eCanter werden also in Kawasaki auf derselben Fertigungslinie gebaut. Damit könne man sich auf Mengenschwankungen gut einstellen, sagt Ozaki. Voraussetzung dafür ist, dass das Chassis beider Fahrzeuge identisch ist. Es unterscheidet sich im Prinzip nur durch das Motorkonzept. Allerdings musste die Fertigungslinie angepasst werden, Handhabungs- und Installationsvorrichtungen für den elektrischen Antriebsstrang installiert werden.

Wie das gelungen ist, demonstrierte Ozaki bei einer Führung durch das Werk. Der Rahmen wird, anders als bei den schweren Lkw auf dem Band nebenan, nicht gedreht. Die Achsen – eAchse ebenso wie konventionelle Achse – werden von unten an den Rahmen geschraubt, der Motor wird von oben in das Chassis gehoben. Die Tanks werden beim eCanter durch Batterien ersetzt. Je nach Modellvariante ein bis drei davon. Die Hochvoltakkus würden vormontiert mit Batterierahmen, Rohrleitungen und Kabeln vor dem Chassis auf das Band gelegt, so Ozaki. Montiert werden sie dann an der Station, die sonst für Motor und Abgasanlage vorgesehen ist.

Dass die neue Generation für echtes Fahrfeeling taugt, demonstrierte die Daimler-Tochter auf ihrer Versuchsstrecke am Kitsuregawa Proving Ground, nördlich von Tokio. Drei unterschiedliche Modelle in den neuen Gewichtsklassen standen dort für einen Fahrtest bereit und bewiesen: Auch den Hang hoch geht’s damit noch ganz gut ab. ha

◂ Heft-Navigation ▸

Artikel Ladehemmung in der Heimat
Seite 1 bis 0 | Rubrik POLITIK UND WIRTSCHAFT