Gefahrgut-Fahrzeuge dürfen nicht in Wohngebieten abgestellt werden: Schwammig formulierte Sicherheitsklauseln

Wenn ein Fixkostenspediteur eine Vertragsklausel unklar formuliert, kann er sich im Schadensfall nicht erfolgreich auf diese Bestimmung berufen.

Transportunternehmer sollten bei selbst erstellten Sicherheitsklauseln im Vertrag mit Subunternehmern vorher unbedingt prüfen, ob diese vor Gericht gültig sind. Bild: yellowj / AdobeStock
Transportunternehmer sollten bei selbst erstellten Sicherheitsklauseln im Vertrag mit Subunternehmern vorher unbedingt prüfen, ob diese vor Gericht gültig sind. Bild: yellowj / AdobeStock
Redaktion (allg.)
Vertragsrecht

Ein Transportkunde schloss mit seinem Fixkostenspediteur einen Transportvertrag, bei dem es um die Beförderung einer Ladung Kfz-Teile im Wert von rund 1.090.000 Euro ging. Dabei hatten beide Vertragsparteien folgende Vertragsklausel vereinbart: „Werden beladene Fahrzeuge geparkt, so sind sie zu überwachen oder dort abzustellen, wo ausreichende Sicherheit gewährleistet ist. Mit Gefahrgut beladene Fahrzeuge dürfen in reinen Wohngebieten nicht abgestellt werden.“

Daraufhin kam eine Transportladung komplett unter die Räder, weil Kriminelle den in einem Gewerbegebiet abgestellten und mit einer Plane ausgestatteten Sattelauflieger entwendeten. Der Transportkunde hatte zuvor eine Transportversicherung gegen Güterdiebstahl abgeschlossen, weshalb sein Transportversicherer den Schaden regulierte, der wiederum den Fixkostenspediteur auf vollen Schadensersatz verklagte.

Denn der transportausführen-de Unterfrachtführer des Fixkostenspediteurs habe, so die Begründung, den Diebstahl im Sinne des Paragraph 435 Handelsgesetzbuch (HGB) verursacht. Somit hafte dieser unbegrenzt, da er sich nicht erfolgreich auf die gewichtslimitierte Haftungsbegrenzung in Höhe von 8,33 Sonderziehungsrechte gemäß Paragraph 431 Absatz 1 HGB berufen könne.

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Begrenzte Haftung

Allerdings folgte der Bundesgerichtshof (BGH) dem Transportversicherer nicht in Gänze und urteilte, dass der Fixkostenspediteur nur begrenzt in Höhe von 113.878,08 Euro hafte. Die entscheidende Begründung lieferte der BGH damit, dass die oben zitierte Vertragsklausel zwischen den Parteien rechtsunwirksam vereinbart worden sei (AZ: IZR 119/19), denn sie sei unklar verfasst worden. Diese Unklarheit gehe zu Lasten des aus abgetretenem und übergangenem Recht klagenden Transportversicherers. Die Vertragsklausel besage nicht, dass der Fixkostenspediteur verpflichtet gewesen sei, dass er beziehungsweise sein beauftragter Subunternehmer beim Abstellen des Sattelaufliegers Sorgfaltspflichten zu erfüllen hätten, die über das gesetzliche Level hinausgingen.

Der BGH kritisierte insbesondere, dass die Formulierung „ausreichende Sicherheit“ dermaßen „offen“ sei, dass diese Anforderung auch anders interpretiert werden könne. Damit meinte der BGH, dass die Sicherheitsanforderungen an den Fixkostenspediteur nicht die Sicherheitsanforderungen übersteigen, die ihm das deutsche Recht bereits abverlange. Damit widersprach der BGH der Beurteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle (AZ: 11 U 6/19), das den Fall zuvor beurteilt hatte. Das OLG war der Auffassung, dass die besagte Vertragsklausel vorgebe, dass der Fahrer seinen Lkw nur an Standorten parken dürfe, an denen eine Fahrzeugsicherheit gewährleistet sei, die einer „persönlichen Überwachung“ gleichkomme. Dazu zählten, so das OLG, eingefriedete Lkw-Parkplätze, die mittels Zutrittskontrolle vor dem Zutritt Krimineller gesichert seien. boe

Experten-TIPP

  • Der Fixkostenspediteur hatte Glück im Unglück, denn er musste lediglich rund zehn Prozent des Gesamtschadens ersetzen. Davon ausgehend, dass er beziehungsweise sein Subunternehmer über eine ausreichende Verkehrshaftungsdeckung verfügte, sind beide Unternehmen aus Kostensicht relativ glimpflich davongekommen.
  • Der Fixkostenspediteur sollte Sicherheitsklauseln immer unverändert ebenfalls mit seinem Subunternehmer vereinbaren. Sollte der Subunternehmer dies ablehnen, ist ein gutes Problemmanagement seitens des Fixkostenspediteurs nötig, wie beispielsweise den Frachtführer zu wechseln.
  • Wenn der Fixkostenspediteur eigens erstellte Sicherheitsklauseln im Transportvertrag mit seinem Subunternehmer festschreiben will, sollte er vorher sicherstellen, ob diese einer etwaigen gerichtlichen Prüfung Stand halten. Mit der Prüfung kann er zum Beispiel einen Fachanwalt für Transport- und Logistikrecht beauftragen.
  • Ob die rechtliche Wirkung einer Vertragsklausel im Falle der Anwendung gerichtlich standhält, ist eine Frage des Einzelfalls. Allerdings sollte ein Fixkostenspediteur in jedem Fall dafür sorgen, dass der Ladung während der Transportdurchführung die größtmögliche Sicherheit zukommt. Verletzt er den geschlossenen Transportvertrag im Sinne des Paragraphen 435 HGB, so haftet er immer unbegrenzt. Dies könnte ihm beim Impfstofftransport möglicherweise den Kragen kosten. Denn Ladungswerte von mehreren Millionen Euro pro Vollcontainer oder Truck stehen auf dem Spiel, wenn der Impfstoff gar nicht oder beschädigt beim Empfänger eintrifft. Eckhard Boecker

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Seite 9 | Rubrik MANAGEMENT