Der Kunde hat nicht immer recht

Ob ein Transportunternehmen für die Auslieferung an den falschen Empfänger haftet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Ein Container geht verfrüht an den Adressaten. Der Versender fordert Schadensersatz, kann den aber nicht plausiebel belegen. Bild: Pixabay
Ein Container geht verfrüht an den Adressaten. Der Versender fordert Schadensersatz, kann den aber nicht plausiebel belegen. Bild: Pixabay
Redaktion (allg.)
Schadensersatz

Ein rumänisches Holzunternehmen hatte eine Reederei damit beauftragt, eine Ladung Holz von Europa nach Busan in Südkorea zu transportieren. Insgesamt wurden ihr zehn Container übergeben. In diesem Zusammenhang forderte das Holzunternehmen am 10. September 2018 beim Reedereiagenten die Originalkonnossemente an.

In den Bills of Lading (B/L) war ein Unternehmen in Busan als Empfänger eingetragen. Einen Tag später erhielt das Holzunternehmen die Dokumente, die es dann wiederum einige Tage später an den Reedereiagenten zurückschickte. Er solle die Ladung nicht freigeben, sondern auf weitere Weisung warten.

Am 26. September 2018 trafen die Container in Busan ein. In weiterer Folge entstanden Kosten für Demurrage und Detention. Am 17. Oktober 2018 teilte die Reederei-Agentin dem Holzunternehmen mit, dass sein Kunde einen Container abgeholt habe. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Versender noch keine Containerfreigabe gegenüber der Reederei erteilt. In weiterer Folge einigte sich der Versender jedoch mit seinem Kaufvertragspartner darauf, die übrigen neun Container zu einem reduzierten Warenpreis ebenfalls ausliefern zu lassen.

Im Nachgang verklagte der Versender die Reederei dennoch wegen Falschauslieferung auf Schadensersatz. Insgesamt verlangte er Schadensersatz in Höhe von 46.693,49 US-Dollar. Die Kosten setzten sich aus einer Kaufpreisminderung sowie den Kosten für Demurrage und Detention zusammen.

Dagegen meinte die Reederei, dass der Kunde die Güter zunächst einmal nicht abgenommen habe, weil es zu Problemen zwischen der Empfängerin in Busan und dem Versender gekommen sei, vermutlich im Zusammenhang mit der Warenqualität. Zur Höhe des Schadensersatzes meinte die Reederei, dass der Warenwert des betreffenden Containers nur 13.000 US-Dollar betragen habe. Folglich sei ein höherer Schadensersatz nicht einklagbar.

Ohne Nachweis kein Schadensersatz

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Das Landgericht (LG) Hamburg hatte am 3. Juni 2020 entschieden, dass der Versender gegenüber der Reederei keinen Anspruch auf Schadensersatz habe (Az. 412 HKO 74/19). Im ersten Schritt stellte das LG fest, wenn der Versender einen Anspruch aus einer nicht genehmigten Auslieferung auf Paragraf 512 IV Handelsgesetzbuch (HGB) stütze, entfielen alle Ansprüche, wenn die Auslieferung an den Empfänger genehmigt worden sei.

Die nachträgliche Auslieferungsgenehmigung des Gutes entfalte eine „befreiende Wirkung“. Damit entfallen auch Ansprüche des Versenders gemäß den Paragrafen 498 ff. und aus Paragraf 521 IV HGB. Eine Haftung wegen der Verletzung einer Nebenpflicht gemäß Paragraf 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) komme ebenso nicht in Betracht.

Darüber hinaus sei es dem Versender nicht gelungen, den Differenzbetrag zu dokumentieren, den er erzielt hätte, wenn der besagte Container nicht an den Empfänger ausgeliefert worden wäre. Außerdem meinte das LG, dass ein solcher Differenzbetrag nur dann erstattungsfähig gewesen wäre, wenn ein Gewinn wahrscheinlich zu erwarten gewesen wäre. Dies träfe auf das betreffende Gut nicht zu, denn von einem alternativen Käufer, der diese Holzmenge gekauft hätte, sei nichts bekannt, so das Gericht.

Fazit: Wenn der Versender die Auslieferung eines Containers im Nachhinein genehmigt, so setzt sich der Reeder nach dem deutschen Recht keinem Schadensersatzanspruch aus. Allerdings ist dem Reeder stets zu empfehlen, jede Auslieferung genau zu bearbeiten. Denn bei einer Auslieferung, die der Versender weder vor noch nach der Auslieferung absegnet, setzt sich die Reederei dem Risiko aus, uneingeschränkt für den daraus resultierenden Schaden zu haften.boe

Experten-Tipp

  • Oft ist in der Praxis ein Seehafenspediteur zwischen dem Versender der Waren und der Reederei zwischengeschaltet. Wenn der Reeder den Container an einen unberechtigten Empfänger fälschlicherweise ausliefert, haftet in diesem Fall der Spediteur für den daraus entstehenden Schaden.
  • In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass der Empfänger die Ware nicht – wie hier geschehen – zeitnah abnimmt. Dadurch entstehen dem Vertragspartner der Reederei bereits nach Ablauf von wenigen Freitagen signifikante Kosten für Demurrage und Detention, die bereits nach wenigen Wochen in die Höhe schnellen können.
  • Der Seehafenspediteur sollte sich vor Abschluss des Transportvertrags genau überlegen, ob er den Transport von Ware an einen ihm unbekannten Empfänger will. Dies gilt besonders dann, wenn es sich um relativ geringe Warenwerte handelt, wie Papier, Schrott oder Holz.
  • Der Seehafenspediteur hat im Regelfall keinen Versicherungsschutz für anfallende Containermiet- und Containerlagerkosten, falls die Nichtabnahme der Güter auf ein Verhalten des Empfängers zurückzuführen ist. Eckhard Boecker

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Seite 9 | Rubrik MANAGEMENT