Interview: Rechtsanwalt Axel Salzmann über die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen

Rechtsanwalt Axel Salzmann, Leiter Kravag Kompetenzzentrum Straßenverkehrsgewerbe und Logistik, warnt vor den Risiken, die DTLB als Vertragsgrundlage zu verwenden (Foto: Privat).
Rechtsanwalt Axel Salzmann, Leiter Kravag Kompetenzzentrum Straßenverkehrsgewerbe und Logistik, warnt vor den Risiken, die DTLB als Vertragsgrundlage zu verwenden (Foto: Privat).
Torsten Buchholz

Rechtsanwalt Axel Salzmann, Leiter Kravag Kompetenzzentrum Straßenverkehrsgewerbe und Logistik, erklärt, warum Transport- und Speditionsunternehmen gut beraten sind, die neuen Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp 2016) als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu vereinbaren
Transport: Seit 1. Januar liegen die aktualisierten ADSp vor, die der Deutsche Speditions und Logistikverband (DSLV) als Grundlage für Verkehrsverträge empfiehlt. Herr Salzmann, was halten Sie aus der Sicht eines Spezialversicherers für die Transport- und Logistikbranche von den ADSp 2016?
Axel Salzmann: Auch aus Versicherungssicht sind die neuen ADSp vorteilhaft für Spediteure und ihre Kunden. Die ADSp haben sich in der Praxis schon vorher über viele Jahrzehnte bewährt: Der Gleichklang zwischen Haftung und Versicherung macht die Risiken bei Transport und Lagerung für alle Beteiligten wirtschaftlich kalkulierbar. Die Ausgangslage war allerdings schwierig. Die Verlader hatten die über zweijährigen Verhandlungen über eine Aktualisierung der bisherigen ADSp für gescheitert erklärt und mit den Deutschen Transport- und Logistikbedingungen (DTLB) ihr eigenes Bedingungswerk herausgebracht. So stellte sich der DSLV allein der herausfordernden Aufgabe, die gewachsene Tradition der ADSp, die zuletzt 2003 nach gemeinsamen Verhandlungen gefunden wurde, inhaltlich fortzuführen, zu aktualisieren und zu modernisieren. Die ADSp 2016 werden durchgängig als die marktüblichen AGBs über die gängigen Verkehrshaftungspolicen versichert.
Transport: Worin bestanden die Kernpunkte des bisherigen Gemeinschaftswerks?
Das Gemeinschaftswerk zeichnete sich dadurch aus, dass die Vertragsparteien die vertragliche Haftung durch Versicherungsschutz absicherten. Damit wurde eine weltweite – also nicht nur in Deutschland – nachhaltige Absicherung für den Auftraggeber gewährleistet. Und das geschah trotz vorhandener Interessenkonflikte, die etwa bei der Übergabe hochwertiger Güter bei geringer Vergütung bestehen. Mit diesem berechenbaren und Interessen ausgleichenden Vertragswerk ist dies über viele Jahrzehnte gelungen. Ich möchte noch einmal unterstreichen: Ganz entscheidend war dabei die wirtschaftliche Kalkulierbarkeit für alle Beteiligten.
Transport: Gab es noch weitere Vorteile?
Dazu zählt sicherlich die unkomplizierte und schnelle Schadensbearbeitung für alle Beteiligten. ln unserer vielschichtigen Wirtschaft geben die ADSp das bisher einzige Beispiel, dass Schadenfälle fast automatisch – oftmals in Wochenfrist – abgewickelt werden. Das ist deshalb möglich, weil durch die ADSp im Massengeschäft einheitlich Schadenersatz zu leisten ist.
Transport: Sind diese Vorteile auch in den neuen ADSp erhalten geblieben?
Ja, die von mir angeführten zentralen Kriterien und Sonderstellungsmerkmale der bisherigen ADSp sind auch prägend für die ADSp 2016.
Transport: Worin unterscheiden sich die von Verladerseite ins Spiel gebrachten DTLB von den bisherigen und neuen ADSp?
Die DTLB sind ein einseitiges Bedingungswerk und berücksichtigen zentral die Interessen der Auftraggeber. Die Hauptdefizite bestehen darin, dass kein Gleichklang zwischen Haftung und Versicherung besteht. Zudem gibt es keine vertragliche Haftungsbegrenzung im Schadenfall. Für den Lagerbereich ergibt sich in den DTLB eine unkalkulierbare vertragliche Gestaltung, da das laut Handelsgesetzbuch (HGB) im Frachtrecht typischerweise verankerte Wertersatzprinzip aufgegeben wurde. Die Folge: Dieses Risiko lässt sich nicht versichern. Einseitig ist auch die vertragliche Gestaltung im Qualitätsmanagement einschließlich der Notfallplanung des Transportunternehmers. Im Klartext heißt das: Die vertraglichen Primärpflichten für den Transportunternehmer wurden derart erweitert, dass sie in Rechtsfolge auf eine weitgehende Vollhaftung hinauslaufen.
Transport: Welche Folgen kann es für Transport- und Speditionsunternehmen haben, wenn sie mit den DTLB arbeiten?
Mit den DTLB als Vertragsgrundlage zu arbeiten kann die Existenz gefährden. Denn selbst bei entsprechenden Sondervereinbarungen mit dem jeweiligen Versicherer können erhebliche Versicherungslücken entstehen.
Transport: Was bieten die neuen Haftungsregelungen in den ADSp 2016?
Das Wertersatzprinzip wurde wie bereits in der Vergangenheit in die ADSp 2016 übernommen. Neu ist, dass jetzt die gesetzliche Regelhaftungssumme von 8,33 SZR/kg, also Sonderziehungsrechte pro Kilogramm für Transporte, im Umschlag und im Lager gilt. Davon ausgenommen sind die Seebeförderung, zwingende CMR-Transporte und multimodale Transporte unter Einschluss der Seestrecke. Die jeweiligen Haftungsmaxima sind erhöht worden. So gilt zum Beispiel im Lager eine maximale Haftungssumme von 25.000 Euro statt bisher 5.000 Euro und für andere als Güterschäden 25.000 Euro statt bisher 5.000 Euro. Nicht neu, aber erwähnenswert ist auch der Haftungsausschluss bei nautischem Verschulden und Feuer an Bord. Bis dato wurde dieser Haftungsausschluss durch die ADSp 2003 ergänzende Textbausteine geregelt. In den ADSp 2016 ist dies jetzt in Ziffer 25.1 geregelt. Das betrifft allerdings nur reine Port-to-Port-Verkehrsverträge, ansonsten greifen die Regelungen für multimodale Verträge, in denen diese Ausschlüsse nicht enthalten sind. Eine Neuerung ist die Höhenhaftungsdeklaration im Lager. Damit hat der Auftraggeber die Möglichkeit, im Lager den vollen Wert des eingelagerten Gutes über die Versicherung anzuzeigen. So erhält er im Schadensfall nicht nur eingeschränkten Haftungsersatz.
Transport: Wie hat sich der Versicherer Kravag auf die neuen ADSp eingestellt?
Kravag hat umgehend auf die veränderten Haftungsbedingungen reagiert und bietet nun den ADSp-Lager-Plus (ALP)- Schutz an. Dieser gilt auch für andere als Güterschäden. Mit dem neuen Baustein lassen sich Güterfolgeschäden und Vermögensschäden bis 100.000 Euro versichern. Mit Blick auf die begrenzte Haftung des Spediteurs hat der Auftraggeber jetzt die Möglichkeit, höhere Güterwerte durch die neue Versicherung zu kompensieren. Beide Seiten, also Spediteure und Auftraggeber, haben damit eine erweiterte Lösung für die bisher oft unbefriedigenden Ergebnisse bei Lagerschäden.

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