Interview mit Mathias Krage, Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbands e. V. (DSLV)

Mathias Krage, Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbands e. V. (DSLV), über die Perspektiven für alternative Antriebe, automatisierte Fahrfunktionen im Güterverkehr und die Rechtsverhältnisse bei Fahrzeugdaten. (Foto: DSLV)
Mathias Krage, Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbands e. V. (DSLV), über die Perspektiven für alternative Antriebe, automatisierte Fahrfunktionen im Güterverkehr und die Rechtsverhältnisse bei Fahrzeugdaten. (Foto: DSLV)
Torsten Buchholz


Dieser Artikel stammt aus der IAA Messezeitung IAA aktuell 2016. Englischer Text auf Seite 2 / english version on page 2.

Herr Krage, die IAA-Aussteller präsentieren zahlreiche Lösungen für die urbane Mobilität von morgen. Welche Impulse erwarten Sie von der IAA für die Zukunft der Transportbranche?
Mathias Krage: Die Messe dürfte ein guter Gradmesser für den Fortschritt der Automatisierung, der Digitalisierung und der Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen werden. Vom Fortschritt der Automobilindustrie wird nicht nur die urbane Logistik, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette geprägt werden. Von den Folgen einer regulierenden Gesetzgebung zum Umweltschutz insbesondere in Ballungsräumen großer Kommunen sind zunächst Logistikdienstleister, aber natürlich auch der Handel und die Bevölkerung negativ betroffen. Je schneller die Nutzfahrzeugindustrie alternative und wirtschaftlich vertretbare Lösungen liefern kann, desto mehr werden solche Folgen abgemildert. Angesichts eines steigenden Güterverkehrsaufkommens bei gleichbleibendem Platzangebot in den Innenstädten wird die City-Logistik überdies von smarten Technologien profitieren.

Welchen Stellenwert messen Sie dabei den Entwicklungen im Bereich der vollelektrischen schweren und leichten Verteilerverkehre mit automatisierten Fahrfunktionen zu?

Speditionen und Logistikdienstleister verfolgen natürlich mit Interesse die Entwicklung von alternativen Antrieben bei Nutzfahrzeugen. Leider ist die Angebotspalette alternativer Antriebsformen noch viel zu schmal. Während teil- oder vollelektrifizierte Lieferfahrzeuge insbesondere von Unternehmen aus dem Kurier-, Express- und Paketsektor nicht nur eingesetzt, sondern teilweise bereits auch selbst entwickelt werden, ist die Entwicklung elektrisch angetriebener Lkw für mittlere Destinationen und für den Fernverkehr für die Nutzfahrzeugindustrie offensichtlich deutlich anspruchsvoller. Die derzeit verfügbare Batterietechnik garantiert längst noch nicht die erforderliche Reichweite und reduziert die Nutzlast der Fahrzeuge. Auch die Entsorgungsfrage ist noch ungeklärt. Alternative Antriebe im Güterfernverkehr als Ersatz für Dieselmotoren sind deshalb leider immer noch Zukunftsmusik.
Anders verhält es sich mit automatisierten Fahrfunktionen, die schon heute den Fahrer entlasten, für eine Verbesserung der Verkehrssicherheit sorgen und Ressourcen schonen. Hinzu kommt: Sie verwandeln die Fahrerkabine in einen High-Tech-Arbeitsplatz und machen damit auch den Beruf des Kraftfahrers attraktiver.
An welchen Grundbedingungen – etwa seitens Infrastruktur, Fahrzeugentwicklung und gegebenenfalls Investitionsanreize – muss aus Sicht des DSLV noch gearbeitet werden, um Akzeptanz und Nachfrage nach den alternative Lkw- und Transporter-Antrieben zu beleben?
Alternative Antriebe für Nutzfahrzeuge werden immer dann eine Chance haben, wenn sich ihr Einsatz für Speditionen rechnet. An der Wirtschaftlichkeit muss sich jede neue Technik messen lassen, das heißt Investitionen und Betriebskosten müssen weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit von Logistikdienstleistern sicherstellen. Diese Voraussetzung ist derzeit nicht für jeden Teilmarkt der Logistik gegeben. Weder Kaufprämien noch Förderungen bieten heute ausreichende Anreize.
Entscheidend ist zudem der Aufbau einer flächendeckenden Tank- und Lade-Infrastruktur in Europa. Nur wenn diese Faktoren erfüllt sind, könnten alternativ angetriebene Nutzfahrzeuge den Sprung vom Nischen- zum Massenprodukt schaffen
Die von vielen Herstellern auf der IAA präsentierten Fahrerassistenzsysteme erfassen große Datenmengen. Viele davon dienen der Darstellung von KPI, andere beschreiben Fahrzeugzustände und weisen diese aus. Wem gehören die Daten eigentlich – dem Spediteur, dem Fahrzeughersteller oder einem eingebundenen IT-Dienstleister? Sehen Sie in dieser Frage Regulierungsbedarf?
Moderne Lkw sind tatsächlich rollende Datenspeicher. Die Hebung dieser Informationsschätze kann einen hohen Mehrwert generieren und weckt Begehrlichkeiten bei vielen externen Anspruchsgruppen, darunter Hersteller, Versicherer und Staat. Würde dem Oberziel „maximale Effizienz“ gefolgt, könnte bei vollständiger Transparenz aller Daten eine Mehrfach-win-win-Situation hergestellt werden, aus Verkehrsfluss, Sicherheit, Umweltschutz etc.. Aber so einfach ist es nicht. Gerade deshalb muss sorgfältig geprüft werden, wem die Daten gehören und wessen Rechte gegebenenfalls durch eine Nutzung beeinträchtigt werden.
Grundsätzlich gehören die Daten dem Fahrzeughalter, der meist auch Dienstherr des Fahrers ist. Somit weisen solche Daten zusätzlich viele Informationen über das Arbeitsverhalten und berühren Persönlichkeitsrechte. Nicht nur deshalb muss der Gesetzgeber eindeutige Regeln für die weitergehende Nutzung von Fahrzeugdaten aufstellen.

Quelle: IAA aktuell 2016

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Mr Krage, exhibitors at the IAA are presenting numerous solutions for the urban mobility of tomorrow. Which impulses do you expect to see at the IAA regarding the future of the transport sector?
Mathias Krage: The IAA should serve as a good yardstick of progress in the automation, digitisation and electrification of commercial vehicles. Not only urban logistics, but also the entire value chain will be impacted by the progress made in the automotive industry. The consequences of regulatory legislation on environmental protection, particularly in the metropolitan areas of large communities, will firstly affect logistics service providers, but commerce and the general public will, of course, also be negatively impacted. The quicker the commercial vehicles industry can deliver alternative and economically viable solutions, the milder these consequences are likely to be. Furthermore, in view of the increasing volume of freight traffic in the same amount of space in inner cities, city logistics are bound to profit from smart technologies.
How important do you see current developments in the field of fully electric heavy- and light-duty distribution vehicles equipped with automated driving functions?
Freight forwarders and logistics providers are, of course, following the development of alternative drive systems for commercial vehicles with interest. Unfortunately, the range of alternatives on offer is still insufficient. Whereas partly or fully electrically powered delivery vehicles, particularly from companies working in the courier, express and parcel sectors, are not only being used but are, in some cases, also being developed by the companies themselves, the development of electrically powered trucks for medium- and long-range destinations is proving far more difficult for the commercial vehicles industry to implement. The battery technology currently available is nowhere near being able to guarantee the required range and it also reduces the payload of the vehicles. The question of end-of-life disposal has not yet been settled, either. For those reasons, alternative drive systems for long-distance goods transport as a replacement for diesel engines is unfortunately still very much a vision of the future.
However, automated driving functions are another story, as already today they assist the driver, improve road safety and help conserve resources. In addition, they transform the driver's cab into a high-tech workstation and therefore make truck driving a more attractive profession.

In the view of the DSLV, which basic conditions, for example in terms of infrastructure, vehicle development and possibly investment incentives, still need to be worked on in order to increase acceptance and boost demand for alternative truck and commercial van drives?

Alternative drive systems for commercial vehicles will only have a chance if their use is financially viable for freight forwarders. The success of every new technology is measured by its economic efficiency, which means investments and operating costs still need to secure the competitiveness of logistics service providers. This requirement is not currently met for every sub-sector in the field of logistics. Neither purchase premiums nor state subsidies currently offer sufficient incentives.
The other deciding factor is the establishing of a nationwide filling and charging infrastructure throughout Europe. Only when these conditions have been fulfilled can alternatively powered commercial vehicles make the leap from a niche to a mass product.
The driver assistance systems presented by numerous manufacturers at the IAA collect large volumes of data. Many of them serve to portray KPIs, others describe and indicate the condition of the vehicle. Who actually owns this data – the freight forwarder, the vehicle manufacturer, or an associated IT service provider? Do you see a need for regulation in this question?
Modern trucks are really data storage media on wheels. The use of this storehouse of information can generate a high degree of added value and arouses keen interest in many external stakeholder groups, including manufacturers, insurers and governments. If the overall objective of "maximum efficiency" were to be followed, if all data were completely transparent, a multiple win-win situation could be brought about, benefiting traffic flow, safety, environmental protection, etc. However, it's not quite that simple. For that reason in particular it is important to carefully examine whom the data belong to and whose rights may possibly be compromised through their use.
Basically, the data belong to the owner of the vehicle, who is usually also the driver's employer. Therefore, data of this nature also provide a lot of information about the driver's working behaviour and thus affect personal rights. For these and other reasons, it is necessary for legislators to draw up clear rules for the further use of vehicle data.

Copyright: IAA aktuell 2016

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