Hyundai: Mit Ehrgeiz drängt die Marke ins Transporter Business

Aufpoliert: Glänzender Auftritt für die ersten Probefahrten des H350. | Bild: J.Reichel
Aufpoliert: Glänzender Auftritt für die ersten Probefahrten des H350. | Bild: J.Reichel
Johannes Reichel

Ein neuer Player im Segment, das gibt es selten. Doch Hyundai will in den stückzahlenträchtigen Leichtlaster-Markt. TransporterTrends war exklusiv bei einer „Kunden-Clinic“ mit dabei und hat den H350 bereits gefahren.
Das Spannendste vorweg: Bei einer ersten exklusiven Tour im Hyundai H350 zeigte sich der brandneue 3,5-Tonner auf Augenhöhe mit Sprinter & Co. – guter Komfort, unkompliziertes Handling, solide Verarbeitung.
Doch von Anfang an: Hyundai ist vielleicht die aufstrebende Marke der Stunde und das will im gesättigten europäischen Markt etwas heißen. Bei den Pkw-Verkäufen ist Hyundai schon gut vorangekommen: Rund 100.000 Fahrzeuge hat man in Deutschland 2014 losgeschlagen – doch die ehrgeizigen Koreaner wollen mehr. Dabei sollen die leichten Nutzfahrzeuge helfen, ohne die man den Anspruch auf ein Vollsortiment nicht erfüllen kann. Erst recht, wenn man dies im Heimatmarkt vom Bus bis zum Truck längst bietet und einem riesigen Mischkonzern angehört, der vom Kleinstwagen über Lkw und Busse bis zum Schienenfahrzeug alles baut, seinen Stahl selbst zieht und viele technische Komponenten wie Motoren, Getriebe, Elektronik eigenfabriziert.
Dass man die Ambitionen der Koreaner ernst nimmt, bewies der Belagerungszustand, der bei der Präsentation des 3,5-Tonners H350 auf der IAA in Hannover herrschte, begleitet von beunruhigten Nachfragen der Konkurrenz, vor allem im Hinblick auf die Preisfrage.
„Wir wollen nicht die Billigsten sein“, entkräftet Deutschland-LCV-Manager Josef Dannbeck die schlimmste Befürchtung beim Vorab-Termin mit ausgewählten Kunden und Fachleuten, dem
TransporterTrends beiwohnen konnte. Um sogleich auf Attacke umzuschalten: „Aber wir wollen mit hoher Qualität und Hyundai-typisch ein paar feinen Features zu fairem Preis punkten“. Stärken, die die Marke bei den Pkw erfolgreich ausspielt.
Feine Features zu fairem Preis
Für den Start, der Mitte des Jahres in Deutschland sowie einigen wichtigen europäischen Märkten (Italien, Spanien, Österreich, Schweiz, Tschechien) erfolgen soll, müssen (oder dürfen) sich die Kunden mit Euro-5-Motoren begnügen, nur die Bus-Variante verfügt bereits über Euro-6-Technik. Für weitere Euro-6-Varianten könnte ein kleinvolumigeres Aggregat zum Einsatz kommen.
Basis ist zunächst der aus dem H1 bekannte 2,5-l-Vierzylinder. Der nimmt beim ersten Fahreindruck mit sogenannten „Stage 3“-Modellen – kurz vor der Serie – gewohnt bassig-trommelnd den Dienst auf und glänzt nach kurzer Gedenk­sekunde mit kraftvollem Durchzug. 170 PS und 420 Nm Drehmoment sprechen für sich, auch die schwächere Variante ist mit 150 PS und 373 Nm keineswegs schwach auf der Brust. Wie beim Kompakt-Van H1 bietet man tendenziell mehr PS fürs Geld.
Das Fahrgefühl ist dem ersten Eindruck nach stimmig und harmonisch, die Fahrwerksabstimmung bleibt mit Sprinter-ähnlicher Charakteristik stets auf der komfortablen Seite. Die Lenkung vermittelt mehr Fahrgefühl als beim Vorbild aus Stuttgart, das offenbar nicht nur hier Pate stand. Denn auch die schnörkellos, stil­sicher und sehr praxisorientiert gestaltete Armaturenlandschaft wirkt wertig und lässt sich kein Klappern entlocken.
Die Karosserie zeigt sich bereits in diesem frühen Stadium solide zusammengefügt. Die bis unters Dach gezogene Schiebetür rastet sicher ein, schließt leichtgängig. Sehr solide wirken auch die Heckportale, die um 270 Grad öffnen und in gebotenem Abstand zur offenen Schiebetür an einem strammen Magneten zum Halten kommen. Ebenso solide gelöst ist die Ladungssicherung: 14 klug versenkte, stramme Zurrösen geben der Fracht festen Sitz. Besonders stolz sind die Hyundai-Mannen auf die Raumausnutzung des H350, mit der man fast so gut liegt wie der Primus Fiat Ducato: 3,78 Meter Ladelänge in der langen von zwei Versionen bei 6,19 Meter Außenmaß. Möglich wird das durch einen kompakten Vorbau sowie ebenso kompakt bauende Armaturen, die nebenbei einen geräumigen Innenraum schaffen.
30 Händler, 100 Servicepunkte
Gefertigt wird der H350 übrigens im Werk in der Türkei. Das ist wichtig für die Kunden: Weil man hier die Produktion selbst steuern kann und nicht von der Fertigung in Fernost abhängig ist, sollen die Lieferzeiten des primär für Europa gedachten H350 deutlich kürzer sein als beim beliebten H1. Kaum weniger wichtig: Vertrieb und Service. Hier will Hyundai Deutschland neben 30 Händlern auch 100 Service­stützpunkte anbieten. Hier sieht Vertriebsleiter Steffen Dittmar insbesondere die bestehenden Fleet Business Center mit Nutzfahrzeugerfahrung als Speerspitzen für den Vertrieb des H350.
Die anwesenden Leasing-Firmen waren schon mal angetan und würden eine Empfehlung aussprechen. Deutlich wurde auch: Die Koreaner sind gekommen, um zu bleiben – gerade auch bei den leichten Lastern.
Interview mit Josef Dannbeck, LCV-Manager Hyundai Motor Deutschland, auf der nächsten Seite.
"Wir wollen mehr Wert bieten"
Josef Dannbeck, LCV-Manager Hyundai Motor Deutschland, über die Gründe für den Einstieg der Marke ins umkämpfte Nutzfahrzeuggeschäft.
Warum drängt es Hyundai ins hart umkämpfte, chronisch margenschwache Transportersegment?
Josef Dannbeck: Hyundai möchte weitere Marktsegmente abdecken, um seinen Marktanteil insgesamt weiter auszubauen. Rendite ist in diesem Segment nur langfristig zu erzielen und darauf ist diese Produktlinie auch ausgerichtet.
Wie will die Marke gegenüber den etablierten Wettbewerbern, in Deutschland vor allem VWN und Mercedes-Benz, punkten?
Unsere Hauptwettbewerber sind sicher nicht die arrivierten Hersteller, sondern wir denken, zunächst mit solider Strategie die sehr guten Produktqualitäten des H350 im Markt zu etablieren und dann kontinuierlich langfristig zu wachsen.
Welche Merkmale hat der H350, die andere nicht auch haben?
Wir werden den H350 mit einer Wertstrategie einführen, das heißt eine Drei-Jahres-Garantie und die Integration eines kraftstoffsparenden Start-Stopp-Systems in jeden H350 werden die gewerblichen Kunden von der Effizienz des H350 überzeugen. Zudem ermöglicht der H350 in der Version L3 das Einladen von fünf Paletten, wofür manche Wettbewerber größere Fahrzeuge benötigen. Darüber hinaus ist die Fahrerkabine des H350 die geräumigste am Markt und komplett auf perfekte Ergonomie ausgerichtet. Sie sehen, Komfort, Laderaum und Effizienz sind sehr gute Karten, die wir in diesem Segment ausspielen können.
Speziell bei den größeren Transportern geht ohne kompetentes Servicenetz mit entsprechender Werkstattinfrastruktur nichts. Wie will Hyundai das so schnell sicherstellen?
Wir werden eine für den Marktstart funktionierende Abdeckung mit Händlern und Servicebetrieben haben, da unsere Partner teilweise auch über Know-how im Transportermarkt verfügen und entsprechend auf den H350 im Sales- und Servicebereich geschult werden.
Welche Zielgruppen peilt Hyundai mit dem H350 speziell an, Einzelunternehmer oder auch große Flotten?
Wir peilen zunächst an, Handwerker und Kleingewerbetrei­bende an den H350 zu binden. Flotten sind erst im zweiten Schritt auf der Agenda.

Der H1 wird ja auch als Kastenwagen verkauft, ist aber bisher kaum zu sehen. Soll er im Zuge der Einführung des H350 auch stärker vermarktet werden?
Der H1 ist aufgrund der großen weltweiten Nachfrage aktuell nicht überall gleich verfügbar. Da die Werkskapazität zunächst nicht erweitert werden soll, können wir in Deutschland weiterhin stabile, aber nicht steigende Verkäufe planen.
Die Euro-6-Technik ist derzeit die größte Herausforderung für die Van-Hersteller. Sehen Sie eine Chance, das ohne SCR-Technik hinzubekommen?
Die Busvariante, die wir erst 2016 lancieren werden, hat bereits heute AdBlue-Technik und auch der Transporter wird mit dieser Technik rechtzeitig verfügbar sein.
Hyundai hat bei den Pkw zuletzt mit innovativen alternativen Antrieben wie Elektro oder Brennstoffzelle von sich reden gemacht. Kommt ein emissionsfreier H350?
Eine solche Variante ist nach unserem Informationsstand aktuell nicht geplant.

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