Elektromobilität: Wo es hakt und was geht – Interview mit Nissan-E-­Mobility-Manager

Joachim Köpf (re.), Manager E-Mobility bei Nissan, und Roland M. Schüren, Chef einer Handwerks­bäckerei, glauben an die E-Mobilität. Bild: J. Reichel
Joachim Köpf (re.), Manager E-Mobility bei Nissan, und Roland M. Schüren, Chef einer Handwerks­bäckerei, glauben an die E-Mobilität. Bild: J. Reichel
Johannes Reichel

Joachim Köpf, Manager E-Mobility, Nissan Center Europe, über die schwierige Überzeugungs­arbeit beim Thema Elektromobilität, die Engstirnigkeit deutscher Politik und magische Momente.
TransporterTrends: Herr Köpf, die Bundesregierung hat im Rahmen der Nationalen Plattform Elektromobilität große Pläne verkündet. Eine Million Elektroautos bis 2020, Halten Sie das noch für realistisch?
Joachim Köpf: Das Ziel von einer Million Elektrofahrzeuge schon abzuschreiben, hielte ich jedenfalls für falsch. Wir sollten den Druck aufrechterhalten. Außerdem habe ich die eine Million immer eher als motivierendes, gemeinsames Ziel und Vision verstanden, weniger als unbedingt zu erreichende Zahl, welche über das Schicksal der Elektromobilität in Deutschland entscheidet. Aktuell setzt die Regierung aber noch zu wenig Impulse, um die Anzahl an Elektro­fahrzeugen auf Deutschlands Straßen signi­fikant zu steigern. Insbesondere die problematische Positionierung bei der Förderung von Schnellladeinfrastruktur isoliert Deutschland zunehmend – und sorgt für Verunsicherung beim Verbraucher.
Was würden Sie sich als Hersteller von der Politik wünschen – Stichwort einheitliche Standards bei den Steckern?
Auch als Importeur profitieren wir von der starken Wirtschaft in Deutschland, und Deutschland ist Exportweltmeister. Das soll sicher auch einmal für deutsche Elektrofahrzeuge gelten, auch wenn Nissan – mit derzeit über 165.000 weltweit verkauften Leaf – die meisten Elektrofahrzeuge auf die Straße bringt.
Die deutsche Politik muss über den Tellerrand blicken und verstehen, dass Fahrzeuge für globale Märkte entwickelt werden und nationale Vorstöße internationale Auswirkungen haben können. Die Mehrzahl der OEMs hat dies verstanden und fördert Multistandard-Ladestationen, damit alle Systeme bedient werden. Ob es jemals einen einzigen Standard gibt und welcher dies sein wird, soll der Markt entscheiden – nicht die Politik.

Was kann ein Hersteller unabhängig davon tun, um die E-Mobilität zu fördern?

An erster Stelle sollte stehen, Begeisterung für das Thema zu wecken. Und das nicht nur mit Fokus auf die Kunden, sondern auch mit Fokus auf die eigenen Mitarbeiter und die Handelsbetriebe. Idealerweise schafft es ein Hersteller, in seiner eigenen Organisation eine „Community“ zu bilden, die hinter dem Thema Elektromobilität steht und es in allen Bereichen und auf allen Ebenen vorantreibt. Stichwort „Employee Branding“.
Diese Begeisterung wird am Point of Sale auch den Kunden anstecken. Denn nur wenige Kunden hatten beim ersten Mal „Strom geben“ in einem Elektrofahrzeug KEIN Lächeln im Gesicht … Aber zu der ersten Probefahrt muss es erst einmal kommen. Hier sind begeisterte und begeisternde Verkäufer sowie Mitarbeiter gefragt.

Wo sehen Sie die Haupthürden bei den ­Kunden? Nur Berührungsängste?

Menschen lieben Gewohnheiten. Sie gaben und geben uns Sicherheit. Die Fahrfreude beim Elektrofahrzeug muss ergänzt werden durch die Bestätigung, dass das Konzept Elektromobilität auch im Alltag funktioniert, unsere Mobilitätsbedarfe absichert und bezahlbar ist. Aktionen und Angebote wie Schnuppermieten, Autotausch, verlängerte Probefahrten oder besonders günstige Konditionen wie Nissans eVPP-Programm für Berufspendler sind der richtige Weg, um der Kaufentscheidung das Risiko zu nehmen. Und spätestens mit der nächsten Batteriegeneration, die Reichweiten von 300 Kilometer und mehr zu geringeren Kosten ermöglicht, wird der Durchbruch kommen. Davon bin ich überzeugt.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, Autos als Stromspeicher zu nutzen, eine Option, die Nissan gerade gemeinsam mit Endesa angestoßen hat? Was hat der Kunde davon?
Systeme zur Rückspeisung des Stroms aus der Traktionsbatterie werden zunehmend preiswerter und damit auch für Privathaushalte attraktiv. Unsere Fahrzeuge sind schon heute technisch dazu fähig und damit zukunftssicher. Die Markt­reaktionen auf unsere Ankündigung zeigt uns auch, dass es hohes Potenzial gibt. Im Nachgang dazu haben uns in gut einer Woche Anfragen für Systeme im dreistelligen Bereich erreicht.
Neben der Nutzung von selbst produziertem Strom aus EE zu Zeiten, in denen kein Strom aus EE generiert werden kann, ermöglichen die Systeme auch die Teilnahme am Regelenergiemarkt. Damit lassen sich interessante Geschäftsmodelle realisieren, mit denen sich die aktuell noch existierenden Mehrkosten von Elektrofahrzeugen anteilig refinanzieren ließen. Sobald die Mehrkosten für Elektro­fahrzeuge signifikant sinken, können diese im Rahmen dieser Geschäftskonzepte zu unschlagbar günstigen und nachhaltigen Mobilitätslösungen werden.
Das Interview führte Johannes Reichel.
Praxis Elektrovan: Das kann sich schnell rechnen
Für einen Fuhrparkleiter ist ein Elektrofahrzeug fast fad: „Läuft einfach“, lautet das Fazit von Roland M. Schüren, Chef der gleichnamigen Handwerksbäckerei mit Filialnetz, wenn man ihn darauf anspricht, wie sich seine Elektrofahrzeuge im Praxis­einsatz schlagen. Drei Nissan eNV200 hat er jetzt in Dienste gestellt – seit zwei Jahren läuft zudem ein Vito E-Cell in der Flotte. Dessen Laufzeit würde Schüren gerne verlängern, doch Mercedes verfolgt das E-Cell-Programm nicht weiter. Für Schüren wäre der Vito von der Größe her eine ideale Ergänzung zu den Erdgas-Sprintern, die in Hilden Dienst tun. Die würde er über kurz oder lang auch gerne durch Elektrofahrzeuge ersetzen, vermisst aber auch hier ein Werksangebot des Herstellers. Anderthalb Klassen unterhalb des Sprinter wurde Schüren dagegen fündig in Gestalt des eNV200. Die Kleintransporter, mit 4,2 Kubikmeter Ladevolumen etwas geräumiger als die zuvor gefahrenen Erdgas-Caddy, waren jeweils etwa 27.000 Euro netto teuer, inklusive der Batterie. Hätte er ohne die Stromspeicher geordert, wäre er mit 20.000 Euro „davongekommen“, müsste aber monatlich noch Batteriemiete bezahlen. Als Incentive hilft der Hersteller noch mit Goodies wie Gratis-Beklebung und derzeit einer kostenlosen Schnellladesäule – sonst 10.000 Euro teuer – nach.
Schüren rechnet außerdem mit deutlich niedrigeren Wartungskosten. „Was soll da schon kaputtgehen. Der Ölwechsel fällt weg, selbst die Bremsen muss man dank Rekuperationsmodus kaum mehr benutzen“, preist Schüren die bedürfnislose Technik. Laut Nissan liegen die Werkstattkosten um 40 Prozent niedriger als bei einem Verbrenner. Auch die Batterien scheinen standhafter zu sein, als selbst der Hersteller das angenommen hat. Joachim Köpf, E-Mobility-Manager bei Nissan, berichtet von den Elektrotaxis in Amsterdam, deren Stromspeicher nach 120.000 Kilometern noch 93 Prozent ihrer Kapazität aufrechterhalten hätten. „75 Prozent nach fünf Jahren ist die Garantie des Herstellers“, freut er sich.
Schüren macht sich als „Überzeugungstäter“ so oder so keinen großen Kopf über Amortisation: „Ich bin sicher, dass sich das rechnet, wenn ich überlege, dass ich mit selbst produziertem Strom einen guten Teil des Jahres keine Energiekosten habe.“ Pro 100 Kilometer kosten ihn seine Stromer 2,75 bis drei Euro an „Sprit“, deutlich günstiger als ein Diesel, aber auch nochmal günstiger als seine Erdgas-Sprinter. Die wiederum sind ohnehin schon 20 bis 30 Prozent günstiger als einst die Diesel-Pendants. Nissan taxiert die Ersparnis auf etwa die Hälfte der Spritkosten. Bis es in dieser Klasse ein für ihn passendes E-Angebot gibt, neutralisiert Schüren den verbleibenden fossilen Brennstoff übrigens per CO2-Kompensation – er meint es ernst mit dem Projekt „klimaneutraler Betrieb“.

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